Sehr habe ich geschmält, liebe Pauline, wie ich den großen Pack Wolle und nicht Ein kleines Wörtchen dazu erhielt, ich hatte freilich Unrecht, denn jene Sendung war so lange unterwegs gewesen, daß in der gothaischen Gemeinde bereits Buß und Bettage ausgeschrieben und, wie Jakobs von seiner Frau behauptet, angestellt waren um eine glückliche Überkunft, und also müste ein Brieschen von Dir viel Langeweile ausgestanden haben. Daß Du keine gehabt hast, habe ich aus demjenigen ersehn, was ich endlich von Dir bekam. Ey Du glückselige Jungfrau! Wahrscheinlich bist Du auch wieder bey dem Fest des 28 Jan. gegenwärtig gewesen um ein Element der Elemente abzugeben. Der liebe alte Herr, er hat schon lange von seinen silbernen Locken gesprochen, die er gewiß immer noch nicht hat, aber Rosen genug windet er sich zum häuslichen Kranze, er umgiebt sich mit Jugend und hält sich so das Alter fern. Mögen alle Götter jetzt für ihn die heilige Sorgfalt verdoppeln. Du, liebe Rose, sey nicht stolz, lieber gerührt und erfreut. Das will ich Dir sagen, wir haben hier eine Nebenbühlerin von Dir, mit der ich Dich schon ein wenig ärgern muß, wie sie mit Dir. Da kürzlich in einem Allmanach eine Erzählung von Goethe unter der Benennung die pilgernde Thörin stand, glaubt sich, er könnte niemand anders damit gemeint haben als eben Deine Nebenbühlerin, doch paßt die Geschichte gar nicht, aber jener Name paßt wie für Bettine Brentano erfunden. Hast Du noch nicht von ihr gehört? Es ist ein wunderliches kleines Wesen, eine wahre Bettine (aus den venetianischen Epigrammen) an körperlicher Schmieg- und Biegsamkeit, innerlich verständig, aber äußerlich ganz thöricht, anständig und doch über allen Anstand hinaus, alles aber, was sie ist und thut, ist nicht rein natürlich, und doch ist es ihr unmöglich anders zu seyn. Sie leidet an dem Brentanoischen Familienübel: einer zur Natur gewordnen Verschrobenheit, ist mir indessen lieber wie die andern. In Weimar war sie vor 1‒2 Jahren, Goethe nahm sie auf wie die Tochter ihrer Mutter, der er sehr wohl wollte, und hat ihr tausend Freundlichkeiten und Liebe bewiesen, schreibt ihr auch noch zuweilen. Du kanst ihn schon einmal bei Gelegenheit nach ihr fragen. Hier kam sie mit ihrem Schwager Savigny her, welcher in Landshut angestellt ist, blieb aber ohne ihn, um singen zu lernen und Tiek zu pflegen, der seit Weinachten an der Gicht kläglich danieder liegt und viel zartes Mitleid erregt. Den Leuten, die ihn besuchten, hat sie viel Spektakel und Standal gegeben, sie tändelt mit ihm in Worten und Werken, nennt ihn Du, küßt ihn, und sagt ihm dabei die ärgsten Wahrheiten, ist auch ganz im Klaren über ihn, also keineswegs etwa verliebt. Ganze Tage brachte sie allein bey ihm zu, da seine Schwester auch lange krank war und nicht bei ihm seyn konnte Manche fürchteten sich ihrentwegen hin zu gehn, denn. immer geräth ihr der Witz, und kann sie wohl auch grob seyn oder lästig. Unter dem Tisch ist sie öftrer zu finden wie drauf, auf einen Stuhl niemals. Du wirst neugierig seyn zu wissen, ob sie dabei hübsch und jung ist, und da ist wieder drollicht, daß sie weder jung noch alt, weder hibsch noch häßlich, weder wie ein Männlein noch wie ein Fräulein aussieht.
Mit den Tieks ist überhaupt eine nährische Wirtschaft hier eingezogen. Wir wußten wohl von sonst und hatten es nur vor der Hand wieder vergessen, daß unser Freund Tiek nichts ist als ein anmüthiger und würdiger Lipp, von dem einer seiner Freunde ein Lied gedichtet, das anfängt:
Wie ein blinder Passagier
Fahr ich auf des Lebens Posten,
Einer Freundschaft ohne Kosten
Rühmt sich keiner je mit mir.
Aber ich meyne, wir haben hier nach der Hand wieder erfahren, was es mit dieser Familie für eine Bewandniß hat, und wie sehr die Gaunerei mit zu ihrer Poesie und Religion gehört. Sie kamen von Wien her, weiß der Himmel warum ☉ und was sie für Anschläge dabei gefaßt haben möchten, leben 8 Wochen lang auf’s splendideste im Wirtshaus, beziehen dann ein Privatquartier für 100 fl. monatlich, haben einen Bedienten und sonst noch 3 Domestiquen, einen Hofmeister für die Kinder der Bernhardi usw., zu dem allen aber keinen Heller eignes Geld. Es ist bekannt, daß Tiek nie welches hatte, daß er stets auf Kosten seines Nächsten lebte, jetzt unterhielt ihn seine Schwester und sie wird vom Baron Knorring unterhalten, der aber nicht hier ist, weil er von Wien, theils seiner dortigen Verwandten, theils Schulden wegen, nicht weg kann, indem ihm sein Vater nicht Geld genug zu den außerordentlichen Depensen für die Tieks schickt. Eben deswegen kann er auch nur spärlich Geld schicken und nun ist hier alle Augenblicke die Noth; aber die Erfindung und Unverschämtheit, die Ausgelerntheit, hat ihnen bislang noch durchgeholfen; Savigny hat eine große Summe hergegeben unter andern. Indessen sind sie dabei völlig preisgegeben und es möchten bald alle Quellen verstopft seyn, wenn nicht Knorring bald kommt. Die Lage der Dinge ist stadtkundig, aber ihre noble Fassung dabei unerschütterlich. Der arme Tiek erscheint in seiner doppelten Qualität als Kranker und Armer in seiner ganzen Unfähigkeit sich selbst zu helfen, weichlich, ohnmächtig, aber immer noch aimable – wenn Leute dabei sind. Bettine sagte ihm einmal, da von Göthe die Rede war, den Tiek gar gern nicht so groß lassen möchte, wie er ist: Sieh, wie Du da so liegt, gegen Goethe kommst Du mir wie ein Däumerling vor – was für mich eine recht anschauliche Wahrheit hatte. Tiek ist nun jetzt nur der Miserable bei der Sache, aber die Schwester ist eine ganz verruchte Person, falsch wie eine Katze, treulos gegen jedermann, voller Lügen und Streiche. Ihr Hochmuth geht dabei ganz ins Lächerliche, es ist ihr leid genug, daß hier gar keine vornehmen Verbindungen angeknüpft werden konnten und alle dergleichen Versuche fehl schlugen – sie hat einen artigen Plan gehabt, nehmlich sich für ihre Person baronisiren zu lassen. Es kamen aber verschiedene Dinge dazwischen, wenn es nicht schon an und vor sich unmöglich gewesen wäre. Den ärgerlichen Auftritt, daß ihr Mann kan um die Kinder ihr mit Gewalt, wenn sie nicht gutwillig wollte, zu nehmen, haben wir auch eben hier erleben müssen. Sie ließ es wirklich auf’s Äußerste kommen, weil sie auch dabei nicht ohne Absicht war, und die Polizei besetzte das Haus, endlich hat sie mit dem Vater getheilt. Sie ist nun geschieden und wir werden sie vielleicht noch als Baronesse Knorring sehn. Der Proceß mit dem Mann war die skandalöseste Sache von der Welt, und sie schamlos, ja soll genug alle Männer damit zu unterhalten. Man befleckt sich in der That durch dieses Volk in alle Wege; die Geldnoth, die Hetzereyen, das Geschimpfe auf die Menschen, die Treulosigkeiten, die sie gegen jeden, der es nicht mit ihnen hält, in Petto haben – kurz, ich bin es herzlich satt von ihnen zu hören. Tiek stellt sich nun freilich ganz sänftlich und überläßt alle Aktivität und Heftigkeit der Schwester, aber Tiek hat Tücken, wie auch in dem Liede steht. Wir haben uns ziemlich zurückgezogen, und sie werden wohl nun lauter auf uns schimpfen, wie vorher in geheim, wo es ihnen nützlich dünkte. Mir schiens nicht unrecht Euch das zu melden, denn man kann nicht wissen, was sich ereignet, wo man wirklich gute Freunde nicht in der Meinung gelassen haben möchte, daß man diese schlechten Freunde den guten gleich gehalten hätte. Von Rom aus ergab sich besonders, wie weit es mit diesen Menschen geht, dort haben sie mit der Religion Handel treiben wollen und die Proposition gehörigen Orts gemacht, für eine Pension junge Künstler zum katholisch werden anzuwerben – nur daß der päbstliche Hof auf so etwas nicht mehr entriren möchte. Ja, die Bernhardi und ihre Bekannte haben das herrliche Rom zum Schauplatz ihrer Klätschereien gemacht und unter einander gehezt, wovon alle, die dort herkommen, vielfältiges Zeugniß ablegen. Sie erzählt einem denn alle die Händel, als wenn sie Ehre davon hätte, und freilich auf ihre Weise zugerichtet. – Zu weiterer Notiz muß ich noch bemerken, daß der Baron, in dessen Gesellschaft Du Tiek in Gotha sahest, wieder hier ist seit mehreren Monaten und keine Anfechtung erlitten hat, auch ein wenig klüger worden ist. Über obige Dinge ist er ganz in der nehmlichen Gesinnung und hat uns eigentlich die ersten Aufschlüsse gegeben; sie hoften ihn wieder sehr zu benutzen, er hat sich aber ziemlich ohne Schaden aus diesem Burgverließ gezogen, geht auch gar nicht mehr zu ihnen. Demungeachtet behalten sie seine Betten und sein Tischzeug, deren sie vor seiner Ankunft, leider noch durch meine Vermittlung, habhaft geworden, in Gebrauch, und er behilft sich mit gemietheten. Mit den Betten ist die Indiskretion um so ärger, da die Gicht ihnen noch einverleibt wird. Doch das sind nur Bagatellen.
Du haft Werner in Weimar gesehn. Es ist ein redlicher Geselle, und wenn Du mit ihm von uns gesprochen hättest, würdest Du, denklich, gefunden haben, daß er auch ein redlicher Freund ist. Seine Schauspiele haben viel barbarisches an sich, und darinn sind sie am barbarischten, worinn sie am gebildetesten und moderngesinntesten sind, indessen ist sein Talent der Darstellung groß, wovon auch der Attila wieder zeugt. Er war lange in Coppet, und Fr. v. Stael goutirte sein originelles Wesen, wie Schlegel uns schrieb. Von dorther erwartet man noch den Bildhauer Tiek, den ich sonst für den leichfüßigsten von den Geschwistern gehalten, mir aber nun als der solideste vorkommt, denn er lebt doch von dem, was er erwirbt, und borgte nur für seine Schwester. Seine erste Arbeit wird Schellings Büste seyn, die er schon lange auf seine eigne Hand hat machen wollen – nun wünschte sie aber der Kronprinz für seine Sammlung, es sollte sie ein hiesiger Bildhauer machen, worauf Schelling es beim Prinzen dahin vermittelte, daß Tiek die Arbeit bekömmt. Sie wird in Marmor ausgeführt, und er kann seine Kunst schon daran beweisen.
Weißt Du nicht, ob die pilgernde Thörin vielleicht ein Fragment aus der Fortsezung des Wilhelm Meister ist? Damit sie etwas wird, scheint sie noch etwas hinter sich und vor sich haben zu müssen.
Wenn Du einmal wieder nach Jena kommt, so fasse ins Auge einen kleinen jungen Mann und alten Gelehrten, der Prof. Oken heißt; Du trifft ihn auch wohl in Weimar, wenigstens für d. 28 Jan. war er dorthin beschieden, wohl gar um Licht und Wärme vorzustellen, worüber er neulich geschrieben. Er war schon in Würzburg sehr viel bei uns, und ich habe mich oft an der Naivetät erfreut, mit der er sich und eine Menge wunderlicher, jedoch guter Gedanken an das Licht zu stellen pflegte.
Ich höre, daß Goethe schon im Mai nach Karlsbad geht, und Du? – Was wird es künftigen Sommer mit uns hier seyn? Wir stehen wieder am Vorabend eines Krieges. Jakobs sagt mir, daß er um Michaelis nach Gotha reißt und Dich dann vielleicht mitbringen könnte. Das ist noch lange hin.
Du hast mir einen Streich gespielt und der Tante Siegfried mitgetheilt, was ich über die Neigung von Fräulein Fanny Wiebeking geschrieben hatte – damals hatte es noch nichts auf sich, aber jetzt bitte ich, behalte alles in einem seinen
Herzen bey Dir und sage nichts wieder. Es ist mit Fannys Neigung ziemlich weit gegangen, weiter zwar nicht, als daß sie sie selbst sehr affichirte und die Leute darüber lachten. Sie wußte nicht, daß es dergleichen berühmten Mann wie Tiek gab vor seiner hiesigen Erscheinung; jetzt ist sie der Meinung, die er ihr selbst beigebracht hat, daß gegen ihn Goethe gar nicht zu rechnen, ließt den Zerbino, betet die Genoveva an, und ist dabei immer noch im Stande die Urania des tugendhaften Tiedge für ein Werk von Tiek zu halten. Es ist bey Fanny alles sehr seicht, die Bildung, die Kenntniß, das Talent bis auf die Fähigkeit wahrhaft Feuer zu fangen. Gründlich ist nur die Einbildung, die sie von dem allen hat. Fritze ist in ihrer Einfachheit, und darinn, daß sie gar nichts will, als was sie kann, sehr viel liebenswerther, Fanny eine kleine Pedantin durch und durch. Du siehst leicht ein, daß Du der Tante Siegfried das nicht wieder schwagen mußt. Ich aber habe endlich genug geschwazt. Vielmals grüße ich die Mutter und Schwestern, oder vielmehr ich grüße sie nicht, sondern habe mich zu euch Vieren hingesetzt und mit euch geplaudert. Lebt alle recht wohl und laßt mich bald von euch hören. Besorgung.