Caroline von Schelling, Band 2


An Pauline Gotter.

München 7. August 1809.

Das ist ein verdrieslicher Sommer, liebe Pauline. Schlechtes Wetter, Krieg und theure Zeiten und um das Maaß voll zu machen Schelling krank seit 6 Wochen; doch nicht bedeutend muß ich gleich hinzusetzen. Es sing mit einem Katharalfieber an, und dann wollte der Husten nicht von der Stelle, so daß bey dem unaufhörlichen Wechsel der Wittrung er das Zimmer nicht verlassen konnte, übrigens sich doch leidlich befand. Jetzt denken wir drauf in der vaterländischen Luft vollends ganz zu genesen und in 8 Tagen zu den Eltern ins Würtembergsche zu gehn, ziemlich nah an die französische Gränze, denn Schellings Vater ist jetzt Prälat zu Maulbronn. Ende September sind wir wieder hier. Indessen will Jakobs nach Gotha wallfahrten; er mag euch von hier erzählen alles, wozu ich keine Lust und keinen Beruf habe. Vor allen Dingen aber möge er meine Wünsche erfüllen und Dich mitbringen. Er weiß, wie sehr es mir Ernst damit ist, und wird alles thun sie zu befördern. Es scheint mir überflüßig schriftlich das Detail zu verhandeln, weil er es ja besser mündlich kann, und ich außerdem nicht alle Umstände im voraus zu wissen im Stande bin, nicht wie weit die Willfährigkeit der lieben Mutter gehn oder zu welchem Grad von Beschwerlichkeiten meine gute Pauline sich entschließen möchte; Sobald er aber bei euch angekommen seyn wird, und Du ohngefähr hieraus siehst, wie unser Projekt ausführbar wäre, so schreibe mir und laß den Brief nur hieher laufen, denn ich bekomme ihn von hieraus nur wenige Tage später und frey. So viel nur, daß wir im Haus und Herzen Raum für Dich haben und sehr Deine Anwesenheit wünschen, nur mußt Du Die selbst nicht zu viel schönes und glänzendes von München versprechen. Aber fremd kann es Dich nicht dünken, da Du so viele Bekannte antriffst! fast möchtest Du Dir anfangs einbilden, Du wärest noch in Gotha, und ich fürchte das Heimweh nicht für Dich in diesem Betracht. – Fanny freut sich schon sehr auf Dich. Du wirst auch nicht eifersüchtig werden auf die schönen Verse, welche die Tieks an sie machen, wenn Du erst siehst, wie es damit beschaffen ist. Ein Briefchen des alten Herrn wägt sie alle auf, obwohl kaum nach Fannys Meinung, bei der Ludwig Tiek den alten Herrn auf alle Weise herabzusetzen sucht und sich, gichtbrüchigen Herrn, dafür hinauf.

Unsere Fritze hat andre Dinge im Kopf als derle idealische Ergötzlichkeiten. Vielleicht weißt Du schon davon. Sie hat einen Schaz im Felde, der aber nicht zum Todschießen in den Krieg gezogen, sondern zum heilen. Es ist ein jungen Mann, der schon von Würzburg her ein sehr genauer Bekannter und täglicher Gesellschafter, ja ein eigentlicher Verzug von Schelling war, woraus Du indeß nicht etwa schließen mußt, daß er durch uns Fritzchens so genauer Bekannter geworden ist. Wir haben ihn nicht einmal dort eingeführt.

Mit dem Gedicht von Goethe hast Du mir eine große Freude gemacht. Mich interressirt schon an und für sich die Wärme seiner Theilnahme an einem solchen Ereigniß. Seltsam ist, aber vermuthlich dem Verfasser selbst nicht unbewußt, daß es an Bürgers Darstellungsart eines ähnlichen Gegenstandes erinnert; lieber wär es mir wohl anders; ich finde immer, daß die dramatische Weise in solchen Fällen nicht die lebendigere und ungezwungenste ist. Dafür daß dieses Gedicht durchs Vorlesen gewinnt, ist es auch recht schwer zu lesen, und unsre vielfältigen Deklamators haben eine Aufgabe dran. In Musik müßte es sich sehr schön setzen lassen.

Unser pilgerndes Thorenpaar ist immer noch hier, und weiß der Himmel recht thöricht, sie thun des Guten zu viel.

Besorgung. Tausend Grüße an Mutter und Schwestern. Sprich der Mutter nur recht viel von der Münchner Reise vor, damit sie sich mit dem Gedanken vertraut macht.