Caroline von Schelling, Band 2


Meta Liebeskind an Gottliebin Marie Schelling.

München den 14. Sept. 1809. Verehrteste Frau!

Meine Thränen vermischen sich mit den Ihrigen, und ich habe keine Worte, um meinen tiefen Schmerz auszudrücken. Schon gestern hatten wir die erschreckliche Nachricht durch den Professor Breyer, dem es seine Braut aus Stuttgard geschrieben hatte, erfahren; aber meine ganze Seele sträubte sich dagegen; ich hielt es für einen Irrthum und wurde in dieser Hofnung durch die Stuttgarder Zeitung bestärkt, wo der Tod einer Professorin Pauly angezeigt stand: mit froher Hofnung brachte ich die Nacht hin, selbst meine kleinen Kinder betheten zu Gott, daß er doch die gute Schelling noch lange möchte leben lassen – aber jetzt fällt Ihr Brief, Verehrungswürdige, wie ein harter Donnerschlag auf mein betrübtes Gemüth. Und doch danke ich es Ihnen unter heißen Thränen, daß Sie mir so umständlich alles schrieben. O wenigstens starb meine Freundin in den Armen der edelsten würdigsten Menschen. Nicht nur unsre Thränen fließen um sie – schon gestern war bei der Nachricht alles, was sie gekannt hat, tief erschüttert, und jedermann zoll ihrem ewig theuren Andenken den Tribut der hohen Achtung, welche ein Weib von so seltnen Vorzügen verdient. Omeine Caroline! Du, in welcher verschönert zurückgestrahlt die frühern Tage meiner Jugend vor meiner Seele standen, die mich sanft knüpfte an alle Bande der Vergangenheit, die dem menschlichen Herzen theuer sind; Du Geliebte! einst die Gefährtin meiner Leiden und jetzt Mitgenossin einer schönen, beglükten Existenz, ach! die ich noch so lange mit Dir zu genießen hoffte – so ist auch dieser Traum des Lebens dahin, und allein stehe ich in der großen öden Stadt, die nie eine Freundinn wie Du mir wieder zurückgeben wird. Ach verzeihn Sie, Verehrungswerthe, daß der eigne Schmerz mich hinreißt, da ich doch nur den Ihrigen, den so gerechten unsers Schellings fühlen sollte. Ach wohl wird er mit mir ausrufen:


Die Blüthe ist hinweg aus meinem Leben
Und kalt und farblos sehr ichs vor mir liegen.

Der ewige Lenker des Schicksals senke Trost in sein Herz; ich kann nur mit ihm weinen; auch mein Mann vergießt Thränen männlich liefer Rührung mit mit. Er hat die Seelige unendlich hoch geschätzt....

Mein Mann und ich bitten Schelling mit tief bewegter Seele, die Liebe auf uns zu übertragen, welche Caroline nun nicht mehr geben kann. O meine Freundin, muß ich Dich denn missen! Wie kam es denn, daß mir nicht das Herz brach bei dem letzten Abschiede? daß ich so ohne Ahndung sie von mir ließ? Nur sie sagte noch die bedenklichen Worte: wenn ich nun gar nicht wieder käme, und sie thaten mir weh, obschon ich sie für Scherz hielt.

Mit Verehrung empfehlen wir uns Ihnen und Ihrem Herrn Gemahl. Gott tröste Sie, Gott stärke Sie, würdige Eltern. Er belohne Sie, daß Sie das Hinscheiden meiner Caroline so sanft machten. Sie, mein theuerster Schelling, umarme ich mit bitter Wehmuth. Schonen Sie Ihre Gesundheit, die wohl an sich noch schwach ist. Der Menschheit seyen hinfort die Kräfte gewiedmet, welche Caroline hinieden nicht mehr beseeligen können. Gütige Mutter, der ich mit Verehrung die lieben Hände küsse! Schreiben Sie doch bald wieder, wenn Ihr Sohn es noch nicht kann.

Ihre gehorsamste Räthin Liebeskind.