Caroline von Schelling, Band 2


Schelling an Niethammer.

Stuttgardt 2. Oct. 1809.

Sie wissen nun schon lange, welcher harte Schlag mich seitdem getroffen hat. Ich hätte billig Ihnen und noch manchem andern Freunde gleich schreiben sollen. Aber der unsägliche Schmerz der Trennung von einem so geliebten Wesen, in dessen Leben das meinige mit tausend Wurzeln eingesenkt ist, überstieg meine Kräfte. Nur die gänzliche inne und äußre Einsamkeit, der ausschließliche Umgang mit ihr und mit Dingen einer andern Welt konnten mich in diesen Augenblicken erhalten. Meine gute Mutter mußte statt meiner die Pflichten der Freundschaft erfüllen; aber ihr eigner tiefer Schmerz, erhöht durch das Mitgefühl des meinigen, erlaubte ihr nur Einen Brief zu schreiben, der aber hoffentlich allen unsern Freunden mitgetheilt worden ist. – Ihnen und Ihrer l. Frau sollten wir noch das letzte gemeinschaftliche Vergnügen in München verdanken. Es ist mir noch die Erinnerung schmerzlich, daß ein neuer Krampf auf der Brust mich nöthigte, die Gesellschaft zu verlassen, und die Güte, die gern noch geblieben wäre, mit folgte. Ich weiß nicht, mit welcher Schwermuth wir nach Hause wandelten; ahndete es uns, es sey das leztemal, daß sie an meinem Arm durch diese Straßen gehe? Schenken Sie der Guten ein freundlich-sanftes Andenken. Sie war eine edle, in jeder Beziehung herrliche Frau, und so kurz oder lang mein Leben währen mag, es wird ganz und immer ihrem Andenken gewidmet seyn. Es kann mich nichts ferner weder beschäftigen noch trösten, als der Umgang mit den Gegenständen einer höhern Welt, wodurch allein ich die schmerzliche Trennung aufhebe. Ich bedarf jezt solcher Freunde, denen der männlich-ernste Schmerz nicht fremd ist, die es fühlen, daß der einzig richtige und glückliche Zustand der Seele die göttliche Traurigkeit ist, in der aller irdische Schmerz versinkt. Lassen Sie uns darum ferner und immer inniger durch diese gemeinschaftliche Neigung zum Höhern verbunden seyn.

Unter unsern Freunden habe ich besonders viel an Stengels gedacht. Meine Frau trug immer die zärtlichste Freundschaft für Frau v. Stengel im Herzen: ich glaube, daß nur wenige Personen ihr so lieb gewesen sind, als sie und ihre Angehörigen. Ich möchte selbst gerne an sie schreiben, wenn es die Umstände zuließen. Ich bitte Sie oder Ihre l. Frau, ihnen inzwischen von meiner Seite alles dasjenige zu sagen, was Freundschaft und innige Hochachtung erfodern. Ich werde ihnen alles mündlich erzählen und mit ihnen oft der theuren Todten gedenken. Sie sagte manchmal in München: hier wolle sie nicht begraben seyn. Die sanfteste Ahndung trieb sie, sich den Ort meiner Eltern zum Ort ihrer lezten Verwandlung zu ersehen, um von allem andern geschieden in den Armen derer zu sterben, denen ihr Herz und ihre Liebe gehörten und die auch sie innigst und immer inniger geliebt hatten. Hr. v. Stengel hat eine Zeichnung der Kirche zu Maulbronn. Hinter dieser, nahe an der Rückwand ist die Ruhestätte der Lieben...