Caroline von Schelling, Band 2


Schelling an Pauline Gotter.

Stuttg., 9. Oct. 1809.

Sie schrieben mir, edle Pauline, noch ehe mein Brief in Ihren Händen sein konnte. Daran erkenne ich Ihr Herz, das wohl werth war, von der edlen Todten so geliebt zu sein. Es genügt Ihnen nicht, über diese zu trauern: Sie gedenken auch des armen Verlassenen, der allein zurückgeblieben ist von einer Verbindung, die auf Leben und Tod geschlossen war. Auch diese Theilnahme danke ich noch der ewig Geliebten: sie war Ihnen so gut und beschäftigte sich noch in der letzten Zeit so viel mit Ihnen, daß das Wort, das von Ihnen kommt, fast ist, als ob es von ihr käme. Ich nehme es mit Dank, ich nehme es mit inniger Rührung auf. Sie reichen mir in Ihrem Brief den wahren Trost. Sie glauben nicht, daß irgend etwas oder irgend eine Zeit diesen Schmerz mildern könne: Sie fühlen, daß er ewig ist. – Sie fühlen es, und ich sollte anders fühlen? O halten Sie den Ausbruch Ihrer schönen Empfindung nicht zurück! So tief meine Traurigkeit ist – es liegt eine Süßigkeit darin, die ich um die Freude aller andern Menschen nicht vertauschen möchte. Ich glaube es jetzt, daß wir alle glücklicher sind im Schmerz als in der Freude.

In dem Briefe an Ihre theure Mutter habe ich alles geschrieben, was ein bewegtes Herz und durch große Leiden geschwächte Besinnung von dem Ende der Geliebten zu schreiben verstatteten. O es war ein wunderbarer, außerordentlicher Tod, mit Umständen, die sich nur mündlich frommen Herzen erzählen lassen und die den höheren Willen, der sie abrief, fast sichtbar machten.

Noch oft wollen wir davon reden, so wie von ihr, der einzigen ewig Unvergeßlichen.

Ich nehme Ihr Wort an, beste Pauline, das Sie auch im Namen der Schwestern und der Mutter sagen. Lassen Sie uns immer verbunden bleiben durch das gemeinschaftliche Andenken. Ich werde mich nicht ganz verlassen glauben, wenn die, welche Caroline in ihrem Leben so ganz besonders geliebt, auch nach ihrem Tode eine Empfindung der Freundschaft für mich behalten.

Nehmen Sie es nicht als unbescheidne Bitte auf, wenn ich den Wunsch ausdrücke, daß Sie nicht blos mitfühlend an mich denken, sondern daß Sie mir auch, so oft Sie können, schreiben mögen. Ich werde immer mit Gewissenhaftigkeit antworten; und wenn dort ein Bewußtsein unsrer Schmerzen die Ruhe der Seligen stören könnte, so würde Caroline Ihnen danken für alles, was Sie an dem Verlassenen thun, für jedes Wort der Erquickung, das von Ihnen herfließt.

... Morgen mache ich noch eine Wallfahrt nach Maulbronn, um mich von den letzten Resten der Geliebten zu trennen; dort ruhn sie in klösterlicher Einsamkeit in dem Lande, das mir das Leben, ihr den Tod gab...