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Augsburger Reichsabschied (19. November 1530) - Einleitung

Einleitung

Augsburger Reichsabschied (19. November 1530) - Einleitung
Bearbeitet von Christopher Voigt-Goy

Historischer Kontext

Ausgangslage

Der hatte die Reichsstände in zwei religionspolitisch gegensätzliche Lager gespalten:1 Die altgläubigen Reichsstände und der Stellvertreter des , , hatten im Reichsabschied mit ihrer Mehrheit die »Verantwortungsformel« des aufgehoben und durch eine Reihe von Bestimmungen ersetzt, welche die weitere Ausbreitung der Reformation eindämmen bzw. rückgängig machen sollten und die Durchsetzung des zum Ziel hatten. Hiergegen hatten die reformatorisch gesinnten Reichsstände eine »« verfasst, welche die Gültigkeit eines Mehrheitsbeschlusses in Religionsfragen grundsätzlich in Frage stellte. Eine weitere Eskalation des Konflikts zwischen altgläubigen und protestierenden Reichsständen wurde allerdings noch einmal abgewendet. Im Nachgang des Reichstags intensivierten die protestierenden Stände ihre Bemühungen um militärische Bündnisse, welche sie vor einer Reichsexekution schützen und die Reformation sichern sollten. Doch ein besonders von angestrebtes Bündnis mit reformatorisch gesinnten oberdeutschen und eidgenössischen Städten, vor allem und , kam aufgrund theologischer Differenzen im Abendmahlsverständnis zwischen den an auf der einen Seite und auf der anderen Seite orientierten Theologen nicht zu Stande.2 Der Kurfürst verfolgte daraufhin eine eigene, auf theologischer Übereinstimmung in Bekenntnisfragen aufbauende Bündnispolitik.3

Obwohl der noch immer in residierende über den Ausgang des unzufrieden war, machte er zunächst keine Anstalten, die Reichsangelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen. Nachdem er im »Frieden von « mit dem (29. Juni 1529) und im »Damenfrieden von « mit dem König (5. August 1529) den Krieg mit der »Heiligen Liga von « beigelegt hatte, war nach aufgebrochen. Dort wurde er nach der Konsolidierung seiner Herrschaft über am 24. Februar 1530 in durch den nachträglich zum Kaiser gekrönt.4 Während seines Italienaufenthalts wurde wiederholt von seinem Bruder zu persönlichem Erscheinen auf dem nächsten Reichstag gedrängt.5 Hiervon erhoffte sich neben einer Lösung der Religionsfrage vor allem die schnelle Organisation der von den Ständen zu leistenden »Türkenhilfe«6. Denn osmanische Truppen waren schon im Spätsommer 1529 bis nach vorgedrungen. Nach erfolgloser Belagerung der Stadt vom 27. September bis zum 14. Oktober 1529 war das Heer jedoch wieder in das abgezogen.

Noch vor seiner Krönung schrieb am 21. Januar 1530 den nächsten Reichstag für den 8. April des Jahres nach aus und kündigte sein persönliches Erscheinen an.7 Beratungsgegenstände sollten die »Türkenhilfe«, die Behandlung der strittigen Religionsfrage sowie weitere Angelegenheiten der Reichsverwaltung sein.8 Bezüglich der Religionsfrage hob er hervor, »alle ains yeglichen gutbeduncken: opinion und maynung zwischen uns selbs in liebe und gutigkait zuhoren; zuverstehen: und zuerwegen« und »zu ainer ainigen Christlichen warhait zubrengen und zuuergleichen«.9 Seitens der refomatorisch gesinnten Stände, besonders des , wurde das Ausschreiben als Ausdruck kaiserlicher Milde gewertet und vermutet, dass den nächsten Reichstag als die lang erwartete »Nationalversammlung« bzw. das erhoffte Konzil zur Lösung der Religionsfrage nutzen würde; Kurfürst Johann von Sachsen gab daher eine theologische Stellungnahme in Auftrag, für die neben vor allem verantwortlich zeichnete.10 Auf altgläubiger Seite nährte das Ausschreiben hingegen die Erwartung, dass auf dem Reichstag kraft seiner persönlichen Autorität die Durchsetzung und Exekution des bewirken werde.11

Die Anreise des nach verzögerte sich deutlich; erst am 15. Juni 1530 zog in die Stadt ein. Noch am selben Tag erließ er ein Verbot der reformatorischen Predigt in der Stadt und forderte die reformatorisch gesinnten Stände auf, am folgenden Tag an der anstehenden Fronleichnamsprozession teilzunehmen.12 Das Predigtverbot löste eine heftige Debatte aus, die nur dadurch beigelegt werden konnte, dass auch die altgläubige Predigt eingestellt wurde13. Die kaiserliche Forderung nach der Teilnahme an der Fronleichnamsprozession wurde verweigert: Die reformatorisch gesinnten Stände blieben ihr fern.14 Schon vor der Reichstagseröffnung war damit die Kluft zwischen altgläubigen und reformatorisch gesinnten Ständen offen zutage getreten.

Die Verhandlungen der Religionsfrage auf dem Augsburger Reichstag

Der sehr gut besuchte Reichstag wurde am 20. Juni mit der Verlesung der »Proposition« offiziell eröffnet.15 Auf der Linie der Ausschreibung sah sie zuerst die Behandlung der »Türkenhilfe« vor, dann die der Religionsfrage und darauf die weiterer Reichsangelegenheiten. Bezüglich der Religionsfrage ging die Proposition insofern über das Ausschreiben hinaus, als der Kaiser dazu aufforderte »Opinion und Meinung berurter Irrung unnd zwispalt, auch mißbreuch halben« nun schriftlich »zu Teutsch und latein« festzuhalten und zu übergeben.16 Wie schon auf den früheren Reichstagen führte die Beratung der Proposition durch die Stände am 22. Juni dazu, dass die Reihenfolge der ersten beiden Verhandlungspunkte umgekehrt wurde.17 Der Fürstenrat setzte daraufhin einen von altgläubigen Ständen dominierten Zwölferausschuss ein, um die Behandlung der Religionsfrage zügig voranzutreiben18, womit die Verhandlungen begannen.19

Noch am Tag der Propositionsverlesung hatten sich Abgeordnete , , , der Herzöge von und der Stadt getroffen, um die Abfassung eines gemeinsamen Bekenntnisses in die Wege zu leiten.20 Diese Aufgabe fiel im Wesentlichen dem in anwesenden zu, der sich über Boten mit über den entstehenden Text der »Confessio Augustana« verständigte, welcher aufgrund der auf ihm lastenden Reichsacht auf der verblieben war. Die oberdeutschen Städte , , und willigten in einen Entwurf dieses Bekenntnisses, das ihnen durch zugespielt wurde, nicht ein. Stattdessen ließen sie durch die nach gereisten Theologen und ein auf dem vorliegenden Entwurf fußendes eigenes Bekenntnis, die »Confessio Tetrapolitana«, verfertigen.21 Auch sandte, nachdem er durch den Gesandten über die Geschehnisse unterrichtet worden war, einen eigenen Bekenntnistext, die »Fidei ratio«, zum Reichstag ein.22 Die deutsche Fassung der »Confessio Augustana« wurde am 25. Juni durch den sächsischen Kanzler auf dem Reichstag verlesen und überreicht. Neben den Ständen, welche die »Confessio Augustana« in Auftrag gegeben hatten, hatten inzwischen noch mit Fürst sowie den Städten , , , und eine Reihe der »protestierenden« Stände des das Bekenntnis unterschrieben. Erst zwei Wochen später wurden, ohne dass sie verlesen worden wären, die »Fideo ratio« am 8. Juli und die »Confessio Tetrapolitana« am 9. Juli übergeben.

Nach Überreichung der »Confessio Augustana« stimmten die altgläubigen Stände mit dem Kaiser ihr weiteres Vorgehen ab: Eine eigene bekenntnishafte Stellungnahme zogen sie nicht in Betracht, sondern sie verlegten sich auf eine Prüfung und Widerlegung der eingereichten Dokumente.23 Zu diesem Zweck setzten sie eine Kommission aus altgläubigen Theologen ein.24 Strittig war zwischen den Ständen und dem Kaiser allerdings, wie nach erfolgter Beurteilung der Schriften zu verfahren sei. Denn der Kaiser reklamierte für sich die Position eines Richters, während die Stände weiterhin an einer Vermittlung interessiert waren und zudem die Forderung nach Behebung der kirchlichen Missbräuche, der »Gravamina«, mit den reformatorisch gesinnten Ständen teilten.25 Dieser Forderung gab der Kaiser nach, weshalb ein eigener, altgläubig besetzter Ausschuss zu deren Behandlung eingesetzt wurde.26 Die Probleme des religiösen Zwiespalts und der Gravamina waren damit im Unterschied zu den früheren Reichstagen sowohl verfahrenstechnisch als auch inhaltlich entkoppelt. Die Arbeit der eingesetzten Theologenkommission führte am 3. August zur Verlesung der »Confutatio«, die eine grundsätzliche Ablehnung der »Confessio Augustana« darstellte.27

Die daraufhin angestrengten Ausgleichsbemühungen zwischen den Ständen, welche die »Confessio Augustana« unterzeichnet hatten, und den altgläubigen Ständen wurden von Anfang an dadurch belastet, dass der die Herausgabe der »Confutatio« der »Confessio Augustana« - wie auch der später verfassten Widerlegung der »Confessio Tetrapolitana«28 - verweigerte. Die zuerst in einem Vierzehnerausschuss und dann in einem Sechserausschuss stattfindenden Verhandlungen, in welche auch eine wieder wesentlich von konzipierte »Apologie der Confessio Augustana« eingebracht wurde, zogen sich hin.29 Nachdem am 13. September ein Vermittlungsvorschlag durch die Unterzeichner der »Confessio Augustana« abgelehnt worden war, berief der mit dem Fortgang der Debatten unzufriedene am 14. September ein eigenes Beratergremium ein, um einen Religionsabschied vorzubereiten.30 Dessen Entwurf lag am 22. September vor31 und wurde nach Überarbeitung durch die Ständemehrheit den reformatorisch gesinnten Ständen vorgelegt32: Den Unterzeichnern der »Confessio Augustana« wurde eine Frist bis zum 15. April 1531 gesetzt, um sich der Reichstagsmehrheit in der Religionsfrage anzuschließen. Der Druck reformatorischer Schriften sowie die Einführung weiterer Neuerungen wurden verboten. Am 23. September verließ der vorzeitig den Reichstag, nachdem bereits am 3. August abgereist war. Damit waren die Ausgleichsverhandlungen endgültig gescheitert.

Auf der Basis des ersten Entwurfs wurde, während der Reichstag sich nun intensiv der anderen Verhandlungspunkte annahm, ein weiterer, substantiell erweiterter Entwurf für einen Religionsabschied verfasst (13. Oktober)33, der dann als Grundlage für die Endfassung diente: In ihr wurden auch die Unterzeichner der »Confessio Tetrapolitana« zum sofortigen Einlenken aufgefordert, eine Liste für nichtig erklärter Neuerungen sowie deren verbindliche Behebungen eingefügt, altgläubige Untertanen dem Schutz des und des unterstellt und jeder weitere Verstoß gegen das mit rechtlichen sowie militärischen Sanktionsdrohungen versehen. Eine Derogationsklausel erklärte die früheren Reichsabschiede, insofern sie diesem Abschied zuwiderliefen, für ungültig. Am 19. November wurde der Reichsabschied verlesen. Die reformatorisch gesinnten Stände bzw. deren noch in Augsburg verbliebene Vertreter verweigerten dessen Annahme. Nachdem der Abschied von den restlichen Anwesenden unterschrieben und darauf durch und Reichsstände gesiegelt worden war, wurde der Reichstag geschlossen.

Rezeption und Bedeutung des Ausgsburger Reichsabschieds

Nach Erteilung des Druckprivilegs für am 23. Dezember 1530 wurde der Reichsabschied gedruckt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Bündnisbemühungen der reformatorisch gesinnten Stände, allen voran die der Unterzeichner der »Confessio Augustana«, bereits weit fortgeschritten. Noch während der letzten Monate des Reichstags hatte aufgrund der in Aussicht stehenden militärischen und rechtlichen Sanktionen eine Annäherung zwischen ihnen und den Unterzeichnern der »Confessio Tetrapolitana« stattgefunden.34 Bei einem am 22. Dezember von Kurfürst anberaumten Treffen in sagten sich die dort versammelten Verteter reformatorisch gesinnter Stände und Städte gegenseitig Hilfe zu. Ein offizieller Vetrag zwischen ihnen wurde bis zum 27. Februar 1531 ausgearbeitet, der den als militärisches Defensivbündnis verfassten »Schmalkaldischen Bund« begründete.35

war nach dem zunächst vorsichtig mit den reformatorisch gesinnten Ständen umgegangen, da er für die schon länger verhandelte Wahl seines Bruders zum römisch-deutschen König auf Druck der altgläubigen Reichsfürsten, die auf die Wahlbestimmungen der pochten, Rücksicht auf nehmen musste.36 Die Wahl erfolgte am 3. Januar 1531.37 Die zur gleichen Zeit erwogenen Pläne zur Gründung eines gegen den »Schmalkaldischen Bund« gerichteten Offensivbündnisses scheiterten an den noch immer an einem Ausgleich festhaltenden Reichsständen. Im März 1531 eröffneten und eine Friedensinititative, die in den mündete. Dieser Anstand verhinderte, genauso wie der folgende , die Exekution der im Religionsabschied angedrohten Sanktionen. Die im Reichsabschied neben der Religionsfrage verhandelten Punkte einer umfassenden Reichsreform - u.a. eine Reichspolizeiordnung und einem reichsweit geltendem Strafgesetzbuches (Constitutio Criminalis Carolina) - wurden nach dem Augsburger Reichstag umgesetzt.38 Erst 1546 ließ es die politische Lage zu, dass eine militärische Lösung der Religionsfrage als erfolgsversprechend ansah und gegen die reformatorisch gesinnten Stände als Landfriedensbrecher vorging. Die Bestimmungen des blieben formal bis zum in Kraft.

Unterzeichner und Unterhändler

Unterzeichner

Der wurde von Kaiser gesiegelt. Auf Seiten der Reichsstände siegelten den für die Kurfürsten und ; für die geistlichen und weltlichen Fürsten Erzbischof , Bischof , Pfalzgraf und Herzog ; für die Prälaten Abt ; für die Grafen und Freiherr ; für die Reichsstädte Bürgermeister und Rat der Stadt .

Unterhändler

Die Reichsstände, die den aushandelten und annahmen, sind in einem Verzeichnis am Ende des Abschieds aufgelistet:39

Die Kurfürsten , und ; für : und ; für : und .

Für das Haus Österreich: und .

Die geistlichen Fürsten: Der Erzbischof von , der Erzbischof von , der Hochmeister des Deutschen Ordens , der Bischof von , der Bischof von , der Bischof von , der Bischof von , der Bischof von , der Bischof von , der Administrator von , der Bischof von , der Bischof von , der Bischof von , der Bischof von und Administrator von , der Bischof von , der Bischof von , der Bischof von , der Administrator von . Die Gesandten der geistlichen Fürsten: Für , Erzbischof von : ; für , Bischof von und Administrator des : und ; für , Bischof von und : , und ; für , Bischof von : , , und ; für , Administrator in : und ; für , Bischof von : , und ; für , Deutschmeister in : und ; für , Administrator des : und ; für , Bischof von : , und ; für , Bischof von : und ; für das : .

Die weltlichen Fürsten: , , , , , , , , , , , , , , , , . Die Gesandten der weltlichen Fürsten: Für und : ; für : , und ; für : , , und ; für : ; für : .

Die Prälaten: , Abt von , , Abt von . Die Gesandten der Prälaten: Für , Abt von , , Abt von , , Abt von , , Abt von , , Abt von , , Abt von , , Abt von , , Abt von , , Abt von , , Abt von : , Abt von und ; für , Probst von : ; für , Abt von : ; für , Abt von : und ; für , Abt von : , Abt von ; für , Abt von : , und ; für , Landkomtur der : ; für das Stift : und ; für , Abt von : und ; für , Abt von : ; für , Probst von : , Abt von , und ; für , Äbtissin von : , und ; für , Äbtissin des : , und ; für , Äbtissin des : und ; für , Äbtissin von : und ; für , Äbtissin von : .

Die Grafen und Herren: , , , , , , , , , . Die Gesandten der Grafen und Herren: Für , 40, , , , , , : ; für : und ; für : ; für , , , , , : ; für : 41; für : ; für : ; für : ; für : ; für : .

Die Reichsstädte wurden durch folgende Gesandte vertreten: Für und : , , und ; für : und ; für : ; für : ; für : ; für : , und ; für : , und ; für : und ; für : , und ; für : und ; für : ; für : ; für und : ; für , und : ; für : und ; für : und ; für : und ; für : ; für : ; für : ; für : und ; für : ; für : und ; für : ; für , die , , , , , , , und : ; für : ; für : und ; für : .

Inhalt

Einleitend schildert der Reichsabschied die Gründe Kaiser Karls V. für seine längere Abwesenheit aus dem Reich und legt die Dringlichkeit der Behebung der Zwiespalt in Glaubensfragen dar, die daher auf dem Reichstag zuerst behandelt wurden. Der Reichsabschied behandelt folgende thmatische Schwerpunkte: An die Bestimmungen zur Religionsfrage (Art. 1-69) und ein allgemeines Aufruhrverbot (Art. 70-72) schließen Regelungen zum Reichskammergericht (Art. 73-96), der Straf- und Polizeiordnung (Art. 97-99) sowie zur Türkenhilfe (Art. 100-131) an. Danach werden Bestimmungen zu den Gravamina (Art. 132-133) und weitere Themen der Reichsverwaltung (Art. 134-143) aufgeführt. Zum Beschluss versichern der Kaiser und die Reichsstände die Befolgung des Reichsabschieds, worauf eine Liste der Reichsstände und ihrer Gesandten, die den Reichabschied annehmen, sowie die Besiegelung durch die Reichsstände folgt. Dem Druck des Reichsabschieds ist das Druckprivileg angehängt. Die Bestimmungen zur Religionsfrage lauten:

Johann von Sachsen, die Brüder Ernst III. und Franz von Braunschweig-Lüneburg, Philipp von Hessen, Wolfgang von Anhalt-Köthen sowie Gesandte der Städte Nürnberg, Reutlingen, Kempten, Heilbronn, Windsheim und Weissenburg (Bayern) haben der Reichstagspropositon entsprechend ein Bekenntnis vorgelegt, das nach Prüfung durch Gelehrte widerlegt und abgelehnt worden ist. Den Genannten wird bis zum 15. April 1531 eine Frist gewährt, den Beschlüssen des Reichstags zuzustimmen (Art. 1). Während dieser Frist ist den Genannten die Einführung weiterer Neuerungen verboten (Art. 2). Die Anhänger des alten Glaubens und ihre Zeremonien sowie die Ordensleute sind unbehelligt zu lassen (Art. 3). Die Genannten werden zur Befolgung der Beschlüsse gegen diejenigen, die das Sakrament verachten, und gegen die Wiedertäufer angehalten (Art. 4). Kaiser und Reichstag versprechen, sich beim Papst für die Abhaltung eines allgemeinen Konzils einzusetzen (Art. 5). Bereits enteignete Klöster und Kirchengüter sind zu restituieren (Art. 6.). Die Genannten haben die Annahme des Reichsabschieds verweigert und sind teils vom Reichstag abgereist (Art. 7). Auch die Gesandten der Städte Straßburg, Konstanz, Lindau und Memmingen haben ein Bekenntnis vorgelegt, das ebenfalls widerlegt und abgelehnt wurde; die Genannten werden zur sofortigen Zustimmung zum Reichsabschied aufgefordert (Art. 8); die schriftliche Widerlegung ihres Bekenntnisses wird ihnen nicht übergeben (Art. 9).

Bis zur Entscheidung eines Konzils haben Kaiser und Reichsstände sich zur Befolgung des Wormser Edikts von 1521 entschieden (Art. 10). Seither sind widerrechtlich zahlreiche Neuerungen eingeführt und Eingriffe vorgenommen worden (Art. 11), die im Einzelnen aufgeführt werden: In der Lehre (Art. 12-13, 16, 20, 21-22, 30), den Zeremonien (Art. 14-15, 17-20, 24-26) und dem Umgang mit Kirchengütern (Art. 23, 25, 28, 31) sowie dem Klerus (Art. 27, 29, 32-35). Kaiser und Reichststände haben zur Wiederherstellung der Ordnung die Abschaffung der in den vorigen Artikeln genannten Neuerungen und Eingriffe beschlossen (Art. 36-37): In der Lehre (Art. 38, 43-45), den Zeremonien (Art. 39-42, 46, 57) und dem Umgang mit Kirchengütern (Art. 47-48, 59, 62-63) sowie dem Klerus (Art. 49-56). Die Zensur von Druckschriften wird angeordnet (Art. 58). Den altgläubigen Untertanen wird freier und ohne Nachsteuer versehener Abzug aus Gebieten zugesagt, in denen Neuerungen eingeführt worden sind (Art. 60). Kaiser und Reichsstände fordern den Papst zur Abhaltung eines Konzils in den nächsten sechs Monaten auf (Art. 61).

Dem vorliegenden Reichsabschied widersprechende Bestimmungen sind nichtig (Art. 64). Die Reichsstände versprechen, sich nicht des Glaubens halber zu bekämpfen oder zu benachteiligen (Art. 65-66). Mögliche Verletzungen dieser Bestimmung sollen durch das Reichskammergericht mit der Acht belegt werden und benachbarte Reichsstände einander gegen die Übertreter Hilfe leisten, wozu der Kaiser eigens einen Beitrag leisten will (Art. 67-68). Die Übertreter sollen unter Androhung der Acht durch das Kammergericht die Kriegskosten erstatten (Art. 69). Die Angehörigen des Kammergerichts werden zur besonderen Beachtung der Religionsbestimmungen angehalten (Art. 91).

Die seit dem Wormser Reichstag von 1521 vorgebrachten Beschwerden über kirchliche Missstände sollen dem päpstlichen Legaten übergeben und durch einen kaiserlichen Gesandten beim Papst verhandelt werden (Art. 132). Die Beschwerden werden in einer Konstitution zusammengeführt und publiziert (Art. 133).

Überlieferung und Textvorlage

Handschrift

  • Wien, ÖStA HHStA, Allgemeine Urkundenreihe (AUR)1530 XI 19 [Ausfertigung mit Siegeln].

Drucke

  • 1) ABſchiedt des Rei=||chßtags zů Aug=||ſpurg Anno M.D.xxx. || gehalten. || Cum gratia et pꝛiuilegio Jmperiali. ||
    [Mainz: Johan Schöffer 1530], [36] Bl., 2°
    (VD16 R 779)
    Benutztes Exemplar: Bamberg, Staatsbibliothek, Sign. 6 E 13 2 [Digitalisat]
  • 2) Abſchied || des ReichsTags zu || Augſpurg. Sampt Romiſcher || Keyſerlicher Maieſtat Orde||nung vnnd Reformation: || guter pollicey ym heyli=||gen Romischen || Reich. || Anno zc. XXX. || Gedꝛuckt zu Franckfurt durch || Johannem Hannaw. ||
    [Frankfurt (Oder): Johann Hanau 1530], [45] Bl., 2°
    (VD16 R 778)
    Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign. M Gl 4 12 [Digitalisat]
  • 3) ABſchiedt des Rei=||chßtags zů Aug=||ſpurg Anno M.D.xxx. || gehalten. || Cum gratia et pꝛiuilegio Jmperiali. ||
    [Mainz: Johann Schöffer 1531], [26] Bl., 2°
    (VD16 R 781)
    Benutztes Exemplar: München, BSB, Sign. Res/2 J.publ.g. 38 Beibd.2 [Digitalisat]
  • 4) ABſchiedt des Rei=||chßtags zů Aug=||ſpurg Anño M.D.xxx. || gehalten. || Cum gratia et pꝛiuilegio Jmperiali. ||
    [Mainz: Johann Schöffer 1531], [26] Bl., 2°
    (VD16 R 782)
    Benutztes Exemplar: München, BSB, Sign. 2 J.publ.g. 301 Beibd. 2 [Digitalisat]
  • 5) ABſchyedt deß Rey=||chßtags tzü Augß=||purg. || Anno M.D.xxx. gehalten. || Cum gratia et pꝛiuilegio Jmperiali. ||
    [Leipzig: Melchior Lotther 1531], [32] Bl., 2°
    (VD16 R 780)
    Benutztes Exemplar: München, BSB, Sign. 2 J.publ.g. 300 Beibd. 2 [Digitalisat]

Textvorlage

Der Edition liegt als wohl einziger Druck des Jahres 1530 der genannte Druck 1 zugrunde, der das Druckprivileg für enthält. Das Druckprivileg fehlt in Druck 2, der hingegen die Reichspolizeiordnung beinhaltet, welche zuerst separat durch bei in Mainz gedruckt wurde.42 Wahrscheinlich erschien Druck 2 erst 1531.
Im Quellentext wurde die Zählung der Artikel nach , ergänzt.

Literatur

Edition

  • Senckenberg, Heinrich Christian von / Schmauß, Johann Jacob (Hg.), Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede, Welche von den Zeiten Kayser Conrads des II. bis jetzo, auf den Teutschen Reichs-Tägen abgefasset worden. Sammt den wichtigsten Reichs-Schlüssen, so auf dem noch fürwährenden Reichs-Tage zur Richtigkeit gekommen sind [...], Bd. 2, Frankfurt am Main 1747 (VD18 90516036) [Digitalisat].

Eine moderne Edition liegt nicht vor.

Forschungsliteratur (Auswahl)

  • Hartmann, Thomas Felix, Die Reichstage unter Karl V. Verfahren und Verfahrensentwicklung 1521-1555, Göttingen 2017 (SHKBA 100).
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  • Neuhaus, Helmut, Der Augsburger Reichstag 1530: Ein Forschungsbericht, in: ZHF 9 (1982), S. 167-211 [Online].
Vollständige Bibliographie
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Fußnoten

1 Vgl. die Einleitung zum .
2 Vgl. ; .
3 Vgl. , und .
4 Vgl. .
5 Vgl. das ausführliche Begründungsschreiben Karls V. an seinen Bruder vom 11. Januar 1530; Text bei .
6 Vgl. .
7 Vgl. den Text der Ausschreibung bei .
8 Zum Reichstag wie auch seinen umfangreichen Verhandlungsgegenständen vgl. auch ; .
9 .
10 Vgl. .
11 Vgl.
12 Vgl. .
13 Vgl. .
14 Vgl.
15 Vgl. den Text der Proposition bei .
16 Vgl. .
17 Vgl. die Einleitung zum .
18 Dem Ausschuss gehörten an (vgl. ): Der Erzbischof von , Bischof , der Bischof von , der Bischof von , Vertreter des von und des von , , , , sowie Vertreter und des Pfalzgrafen
19 Ausführlich dazu mit weiterer Literatur . Knappe Übersicht bei . Vgl. auch .
20 Vgl. .
21 Vgl. zum Entstehungskontext und zum Bekenntnistext .
22 Vgl. .
23 Vgl.
24 Vgl. zur Zusammensetzung .
25 Vgl.
26 Vgl. dazu ausführlich .
27 Der Text bei .
28 Diese »Confutatio« wurde am 25. Oktober 1530 verlesen; vgl. dazu ausführlich und mit dem Text .
29 Zu diesen Verhandlungen ausführlich .
30 Diesem Gremium gehörten an (vgl. ): Die Kurfürsten , , der Erzbischof von , die Bischöfe von , , und von , , sowie die Herzöge , und .
31 Der Text bei .
32 Diese Fassung in .
33 Der Text in .
34 Vgl. .
35 Vgl. ; ; .
36 Vgl. .
37 Zu diesen Vorgängen vgl. .
38 Vgl. dazu und .
39 Die Liste wurde abgeglichen mit .
40 Vgl. die Anm. im Text.
41 So nach dem Druck. Anders bei .
42 Vgl. .