Digitales Reichsgericht


III 373/1920

Aktenzeichen III 373/1920
ID / URL https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/direktlink/14839231-0c1b-41ba-98b6-1c7558b0c721/
Kläger, Revisionskläger Rauch, Franz Hermann
Beklagter, Revisionsbeklagte Deutsches Reich
Senat 3. Zivilsenat
Vorinstanz 11. Zivilsenat, Kammergericht Berlin
Rechtsgebiet Staatshaftung
Rechtsgebiet Staatshaftungsrecht


Abschrift.
III 373/ 1920.


Wird abgedruckt.


Im Namen des Reichs.


Verkündet
am 29. April 1921.
gez. ,
Gerichtsschreiber.


In Sachen des Kaufmanns und Fabrikanten in Chemnitz,
Klägers, Revisionsklägers,

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt
in Leipzig,


wider


das Deutsche Reich, vertreten durch den Reichs-
minister
des Äußeren,
Beklagten, Revisionsbeklagten,

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Justizrat
in Leipzig,


hat das Reichsgericht, III. Zivilsenat,


auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 1921
unter Mitwirkung:


  • des Präsidenten Dr.

  • und der Reichsgerichtsräte von , ,
    Dr., , Dr. , Dr.


für Recht erkannt:


Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats
des Kammergerichts in Berlin vom 13. Juli 1920
wird zurückgewiesen.


Die Kosten der Revisionsinstanz werden dem Kläger
auferlegt.


Von Rechts wegen.


Tatbestand.


Der Kläger hatte auf Grund fester Kaufabschlüsse mit der Rus-
sischen
Sowjet - Regierung vom März 1919 dieser eine größere Menge
Waren zu liefern und hatte zum Zwecke dieser Lieferung nach Vor-
beratung
mit dem Reichskommissar für Ausfuhrbewilligungen von diesem
auf Weisung des Reichswirtschaftsministers am 12. April 1919 eine
Ausfuhrbewilligung erhalten; die Bewilligung lautete, - wie der
Kläger selbst vorträgt, - auf Verlangen des Reichskommissars
unter Zustimmung des Klägers nicht auf die Sowjet-Regierung als
Käuferin der Waren, sondern statt dessen auf Rußland und auf
einen noch anzugebenden Käufer. Die vom Kläger nunmehr mit den
Waren beladenen und zum Abrollen gebrachten 9 Eisenbahn-Waggons
wurden jedoch am 21. April 1919 auf der Grenzstation Eydtkuhnen
auf Weisung des Auswärtigen Amts angehalten, und es ist zur Ab-
lieferung
der Waren nach Rußland nicht gekommen. Zwar hatte in ei-
ner
am 24. Mai 1919 zu Berlin mit dem Kläger abgehaltenen Konferenz
des Auswärtigen Amts dieses die Weiterbeförderung der Waggons zur
russischen Grenze und den Verkauf der Waren nach Rußland gestattet,
aber nur unter gewissen Bedingungen, insbesondere auch unter der,
daß die Verkäufer (der Kläger und seine finanziellen Hintermänner)
verpflichtet sein sollten, das Geschäft mit russischen Einzelkauf-
leuten
, nicht mit der Sowjet-Regierung abzuschließen; die derart in
Aussicht genommene Regelung der Angelegenheit erfolgte jedoch nicht.


Der Kläger berechnet den ihm durch das Anhalten der Waren er-
wachsenen
Schaden auf 315 000 , fordert Schadensersatz in Höhe
von zunächst 75 000 und stützt diese Klage auf ein die Haftung
des Beklagten begründendes Verschulden des Auswärtigen Amts, das
durch Vereitelung der dem Kläger vom Reichswirtschaftsminister
erteilten Ausfuhrbewilligung seinen Geschäftsbereich unberechtigt
und schuldhaft überschritten habe, - sowie auf eine Rechtsregel
einer staatlichen Entschädigungspflicht für staatliche Eingriffe
in wohlerworbene Rechte.


Die Instanzen haben abgewiesen.


Die Revision beantragt unter Aufhebung des Berufungsurteils
nach dem Klageantrag zu erkennen. Der Beklagte bittet um Zurück-
weisung
der Revision.


Entscheidungsgründe.


Den ersten Klagegrund erachtet der Beklagte schon darum für
hinfällig, weil für ein Verschulden des zur Wahrung der inter-
nationalen
Beziehungen und Interessen, also zur selbständigen
Prüfung der Zulässigkeit jeder Ausfuhr - zumal im April 1919 nach
Rußland - recht eigentlich berufenen Auswärtigen Amts nicht das
geringste vorliege, - insbesondere vom Kläger keinerlei Beweis
auch nur angetreten sei dafür, daß der Eingriff des Auswärtigen
Amts eine Ressortüberschreitung war; abgesehen davon aber schlage
des fortgesetzt geltenden Reichshaftungsgesetzes vom
22. Mai 1910 - welches durch den nicht unmittelbares Recht, son-
dern
nur eine Richtschnur gebenden
vom 11. August 1919 nicht berührt sei, - ein: Der Reichskanzler
habe unter dem 27. Oktober 1919, der Reichsminister des Auswär-
tigen
am 11. Februar 1920 die Erklärung abgegeben, daß das Ver-
halten
der mit dieser Angelegenheit befaßt gewesenen Beamten des
auswärtigen Dienstes politischen Rücksichten entsprochen hat;
aus diesen beiden Gründen habe der Beklagte nicht nötig gehabt,
die Motive, welche das Auswärtige Amt leiteten und seinen Eingriff
nötig machten, zu offenbaren.


Gegen die Anwendung des
wendet der Kläger nach dem Sinn seiner Gesamtausführungen ein:


zwar habe zur Zeit der strittigen Vorgänge das Reichs-
haftungsgesetz
noch bestanden, - damals aber habe es laut
der Gesetze vom 10. Februar 1919 (über die vorläufige
Reichsgewalt,) 4. März 1919 (Übergangsgesetz) und 21. März
1919 (Errichtung und Bezeichnung der obersten Reichsbe-
hörden
) einen Reichskanzler nicht mehr gegeben; die Reichs-
verfassung
vom 11. August 1919 habe durch das
Reichshaftungsgesetz von 1910 und damit dessen
aufgehoben; der durch die Verfassung wieder eingeführte
Reichskanzler habe also die Befugnis zu einer Erklärung
im Sinne des überhaupt nicht mehr gehabt; daß
aber etwa die Erklärungen des Reichskanzlers vom 27. Ok-
tober
1919 und des Außenministers vom 11. Februar 1920
nur in dem Sinne und nur darum abgegeben werden woll-
ten und abgegeben seien, weil die strittigen Vorgänge
sich doch noch unter der damaligen, wenn auch inzwischen
aufgehobenen Geltung des abgespielt hätten,
- dafür fehle jeder Anhalt, zumal ja der Beklagte, also auch ja
der Reichskanzler und der Außenminister trotz des die fort-
dauernde
Geltung des annimmt: eine derartige
nachträgliche Anwendung des nicht mehr bestehenden und als
nicht mehr bestehend erkannten - nur weil der
Tatbestand sich noch zur Zeit seiner Geltung verwirklicht
hatte - würde auch unzulässig und unwirksam sein.


Bei diesem Streitstand bedarf es der Entscheidung der Frage, ob
und inwieweit der sofortiges, un-
mittelbares
Recht enthält, und ob er insbesonders den aufgehoben hat.


Die Bedeutung und Tragweite des kann nur aus Wortlaut
und aus Zusammenhang - Zusammenhang mit den anderweiten Bestim-
mungen
der Reichsverfassung und Zusammenhang mit den gesamten Vor-
schriften
unseres Rechtssystems - geschöpft werden. Die Zufällig-
keiten
der Entstehung des Art. 131 und die Äußerungen der dafür
oder dagegen eintretenden Abgeordneten in der Nationalversammlung
dürfen von keinem ausschlaggebenden Belang sein; das Gesetz selbst
ist davon losgelöst und muß seine Erklärung lediglich in sich selbst
als individuelle Vorschrift und zugleich als Teil eines Gesamt -
Rechtskörpers - finden.


steht im 2. Hauptteil der Verfassung Grundrechte
und Grundpflichten der Deutschen im 2. Abschnitt das Gemein-
schaftsleben
- unmittelbar nachdem die Rechtsstellung der Beamten
regelnden -, der wie RGZ. Bd. 99 S. 262 näher ausführt,
den Beamten und Berufssoldaten sofortige unmittelbare Rechte gibt,
insbesondere den Rechtsweg für ihre vermögensrechtlichen Ansprüche.


In lautet Satz 1 verletzt......, so
trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat (oder die
Körperschaft u.s.w.). Damit wird abgesehen zunächst von dem
Worte grundsätzlich - eine gegenwärtige sofort, d.h. mit der Verfas-
sung
ins Leben tretende, keines weiteren Einführungs - oder Aus-
führungsgesetzes
bedürftige Vorschrift aufgestellt: mit dem Worte
die Verantwortlichkeit kann, - da der Eingang des Satzes 1 den
Eingang des . genau wiederholt, nur unter Einschiebung
der Worte in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt
nichts anderes gemeint sein als die Verantwortlichkeit, wie sie dem
Beamten in . auferlegt ist, also nur bei vorsätzlicher
oder fahrlässiger Amtspflichtverletzung und nur unter den Be-
schränkungen
des Abs. 1. Satz 2 (subsidiär ) und der Abs. 2 ( bei
dem Urteil in einer Rechtssache ) und 3 ( Gebrauch eines Rechts-
mittels
) des . Der Inhalt des Satzes 1 des ist also
genau derselbe wie in dem
von 1910 und des Preußischen Staatshaftungsgesetzes vom 1. August
1909, - obwohl hier die Worte an Stelle der Beamten fehlen.
Dies wird bestätigt durch Satz 2 des der Rückgriff
gegen den Beamten bleibt vorbehalten: damit ist dasselbe gesagt,
was in und in mit den Worten gesagt war das
Reich (bezw. der Staat) kann von dem Beamten Ersatz des Schadens
verlangen, den es (bezw. er) durch die vorbestimmte Verantwort-
lichkeit
erleidet. Das Schadensersatzverlangen gegen den Be-
amten
und ebenso hier der Rückgriff gegen ihn zielt nur und kann
nur zielen auf das, was der Beamte nach . schuldig ist:
also kann mit der diesen Rückgriff begründenden Verantwortlichkeit
gegenüber dem Dritten auch nichts anderes gemeint sein, als die
Verantwortlichkeit in dem Grunde und in den Schranken des . Die Ersatzpflicht des Beamten gegenüber dem an seiner Stelle
dem geschädigten Dritten verantwortlichen Staate, also das Recht
des Rückgriffs des Staats gegen den Beamten, steht an sich außer-
halb
der durch normierten Rechtsbeziehung zwischen dem
geschädigten Dritten und dem ihm verantwortlichen Staat; es war
jedoch sachgemäß, nach dem Vorgange des und des der Haf-
tungsgesetze
von 1910 und 1909 die Rückgriffsbefugnis des Staates
gegen den Beamten sofort anzuschließen, um dem Mißverständnis vor-
zubeugen
, als ob die Schadensersatzpflicht des Beamten selbst
aufgehoben oder irgend beschränkt werden solle. Die Worte bleibt
vorbehalten besagen, daß von Reichsverfassungsrechts wegen es
jedem einzelnen Staat überlassen bleibt im einzelnen Falle den
reichsverfassungsrechtlich offen stehenden Rückgriff zu nehmen
oder nicht; sie besagen also insoweit dasselbe, was die § 2
Reichshaftungsgesetzes und mit den
Worten der Staat kann Ersatz verlangen aussprechen; sie drücken
aber noch weiter aus, daß in betreff dieses Rückgriffs die in Abs.
2 des vorgesehene nähere Regelung durch die zuständige
Gesetzgebung völlig freie Hand hat, z.B. in der Festsetzung der
Verjährungsfrist für den Rückgriffsanspruch des Staates. Nach die-
sem
zwischen geschobenen Satz 2 kehrt der Satz 3 des Abs. 1 des
zu dem Rechtsverhältnis zwischen geschädigten Dritten
und verantwortlichem Staat zurück der ordentliche Rechtsweg
darf nicht ausgeschlossen werden. Dieser Satz - welcher übrigens
nicht wie der Berufungsrichter annimmt, - erst in der 3. Lesung
beigefügt wurde, sondern bereits in 2. Lesung beantragt (Anträge
Nr. 419 Nr. 8 und Nr. 590) und am 17. Juli beschlossen war, vgl.
die Zusammenstellung der Beschlüsse 2. Lesung, - bedeutet, daß
der ordentliche Rechtsweg von Reichsverfassungsrechts wegen nunmehr
hiermit offen steht, vgl. , und war schlecht-
hin
, nämlich derart, daß er durch die nähere Regelung nach Abs.
2 des nicht ausgeschlossen werden darf; er bedeutet al-
so
nicht, daß erst für eine durch eine zukünftige Gesetzgebung
einzuführende Staatsverantwortlichkeit durch diese zukünftige Ge-
setzgebung
der ordentliche Rechtsweg gegeben werden solle, - son-
dern
er bedeutet, daß die jetzt gegenwärtig durch die Verfasssung
gegründete Staatsverantwortlichkeit kraft dieser weiteren Ver-
fassungsbestimmung
vor dem ordentlichen Richter ausgetragen wer-
den
muß, also durch eine spätere nähere Regelung nicht einer Verwaltung-
stelle
oder einem Verwaltungsgericht überwiesen werden darf. Die
Frage des Rechtswegs ist als eine bereits und unbedingt durch die
Verfassung entschiedene der näheren Regelung entzogen; - nur
wäre es kein Ausschluß des Rechtswegs, wenn etwa die Beschreitung
des Rechtswegs an die Voraussetzung eines Vorbescheids geknüpft
werden wollte, vgl. RGZ. Bd. 99 S. 262.


Der den abschließende Abs. 2 stellt klar, wes mit dem
Worte grundsätzlich in Abs. 1 Satz 1 gemeint und gesagt ist:
der Grundsatz der reichverfassungsrechtlich festgestellten Staats-
verantwortlichkeit
darf durch die nähere Regelung nicht ange-
tastet
werden, - unbeschadet des bereits hier verwirklichten
Grundsatzes wird nur die nähere Regelung der Einzelheiten - Durch-
führung
, Erweiterung, Einzelabweichung - zugelassen: eine erst
noch ausstehende zukünftige Verwirklichung des Grundsatzes
werden wollte, vgl. RGZ. Bd. 99 S. 262.
kann nicht als nähere Regelung bezeichnet werden. Ob das Wort
grundsätzlich in Männer
und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte
und Pflichten nur ein Prinzip bedeutet, kann als belanglos dahin
stehen: denn dies Wort kann sehr wohl in verschiedenen Artikeln
- je nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang - eine verschiedene Be-
deutung
haben, übrigens weist es auch in wie in
auf die Zulässigkeit einzelner Abweichungen
und Ausnahmen hin, - insofern und insoweit nämlich eine völlige
staatsbürgerliche Gleichheit jedenfalls durch die Verschiedenheit
der weiblichen Natur ausgeschlossen wird.


Hiernach ergibt sich kraft des Art. 131 folgender Rechtszu-
stand
:


Für die Rechtsgebiete, welche bisher keine Staatshaftungs-
vorschrift
hatten, ist die Verantwortlichkeit des Staats (bezw.
der Körperschaft) nunmehr eingeführt und verwirklicht, - und zwar,
solange die einzelne zuständige Gesetzgebung eine nähere Regelung
nicht getroffen hat, ausnahmslos für alle Beamten, also auch für
die in bezw. der Gesetze von 1910 und 1919
ausgenommenen Gebührenbeamten, - und ohne die in § 1 Abs. 2 der
Gesetze von 1910 und 1909 bestimmte Erweiterung auf den Fall
der Bewußtlosigkeit oder Geistesstörung des Beamten - und ohne
die besondere behüfs Vermeidung einer Schlechterstellung des Be-
amten
dem angepaßte Rückgriffsverjährungsvorschrift
der bezw. jener Gesetze. Die Bedenken oder
Nachteile einer derartigen Geltung allein des ohne jed-
wede
nähere Regelung können den betroffenen Ländern dringenden
Anlaß geben, die nähere Regelung durch ihre Gesetzgebung nunmehr zu tref-
fen
. Wäre dagegen nur eine Richtlinie für eine spä-
tere
Landesgesetzgebung, so bliebe zweifelhaft, ob das Reich - et-
wa
im Wege des dazu unzureichend erscheinenden - überhaupt die rechtliche Möglichkeit hat, eins solche
Landesgesetzgebung in Gang und zur Vollendung zu bringen, - es
bliebe also etwa dem einzelnen Lande überlassen, ob und wann es
die Richtlinie der Staatsverantwortlichkeit für sein Gebiet ver-
wirklichen
wollte: um dem vorzubeugen, schafft und verwirklicht
die Reichsverfassung selbst die Staatsverantwortlichkeit als ein
präsentes sofortiges Grundrecht aller Deutschen für das ganze
Reichsgebiet; sie beseitigt sofort und schlechtweg einen Rechts-
zustand
, in welchem dem geschädigten Dritten nur der mit öffent-
licher
Gewalt betraute Beamte haftet und nicht der Staat, der doch
den Beamten in seine Hoheitsstellung einsetzt und handeln läßt;
sie gibt dem geschädigten Dritten bereits jetzt den gegen den Staat
zu erhebenden Ersatzanspruch, welcher durch das Fehlen einer
näheren Regelung nicht berührt wird.


Für die Rechtsgebiete, in welchen die Staatsverantwortlich-
keit
bereits bestand, so insbesondere für die Reichsbeamten und
die Preußischen Beamten kraft der Gesetze von 1910 und 1909 ist
die Quelle der Staatsverantwortlichkeit nicht mehr je § 1 Abs. 1
dieser in Beachtung des erlassenen Ge-
setze
, sondern nunmehr der Reichsver-
fassung
: jene §§ 1 Abs. 1 sind durch
überholt und insofern die Staatsverantwortlichkeit jetzt auf der
nur nach ihrem abzuändernden Reichsverfassung beruht, in
ihrer Rechtsbeständigkeit gesteigert. Die je dem § 1 Abs. 1.
nachfolgenden Einzelbestimmungen der Gesetze von 1910 und 1909
behalten aber ihre Gültigkeit, soweit sie dem nicht widersprechen: insoweit sind sie eine schon vor-
handene
nähere Regelung in Sinne des . Die
fortdauernde Geltung der Erweiterung der Staatsverantwortlichkeit
auf den Fall der Geistesstörung des handelnden Beamten und die fort-
dauernde
Geltung der Verjährungsvorschrift für den Rückgriffsan-
spruch
des Staates kann einem Bedenken nicht unterliegen. Dagegen
fragt es sich, steht hier jedoch nicht zur Entscheidung, ob
(Conflikt) und (polizeiliche Verfügung) des Preußischen Ge-
setzes
von 1909 nicht gegen verstoßen, und
folglich beseitigt sind, weil sie den reichverfassungsrechtlich gegen
den Staat schlechthin offenstehenden Rechtsweg (um den Rechts-
weg
gegen die Beamten selbst handelt es sich hier nicht) unter ge-
wissen
Voraussetzungen ausschließen. Und es fragt sich weiter,
ob für gewisse Beamtenkategorien - nämlich für die auf den Bezug
von Gebühren angewiesenen Beamten ,
und für die mit Angelegenheiten des aus
wärtigen Dienstes befaßten Beamten, - die
Staatsverantwortlichkeit abgelehnt werden darf. Dies steht für die
Reichsbeamten des auswärtigen Dienstes zur Entscheidung und ist
zu bejahen. Jede der beiden davon ausgenommenen Beamtenklassen
bildet eine besondere Eigenart: - dieser Eigenart durch Versagung
der Staatsverantwortlichkeit Rechnung zu tragen, - dazu eben soll
das Wort Grundsätzlich die rechtliche Möglichkeit geben. Durch
solche Versagung aus den besonderen Gründen einzelner besonders
gearteten Beamtenstellungen wird der grundsätzlich allgemeinen
Herrschaft der Norm der Staatsverantwortlichkeit kein Abbruch ge-
tan
.


Die Revision meint, die Bestimmung des könne schon
darum Bestand nicht mehr haben, weil durch sie entgegen der Rechtsweg ausgeschlossen werde. Diese Anschau-
ung
geht fehl. Das Reich lehnt in Betreff der Beamten des auswär-
tigen
Dienstes für den Fall einer bestimmten Reichskanzler - Er-
klärung
zulässig seine sachliche Haftung ob, - es ist also inso-
weit
passiv nicht legimitiert: insoweit muß eine trotzdem erhobene
Klage abgewiesen werden nicht wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs,
sondern weil eine Haftung des Reichs nicht besteht.


Auf Grund und in Gemäßheit des hiernach fortdauernd gültigen
hat nun der Reichskanzler am 27. Oktober
1919 die Erklärung abgegeben, daß das Verhalten der Beamten des
auswärtigen Dienstes, welche mit der Ende April 1919 erfolgten
Anhaltung von 9 mit deutschen Waren beladenen, für die Russische
Sowjet - Regierung bestimmten Eisenbahnwaggons befaßt waren, Rücksichten entsprochen hat, - und dieser Erklärung des
Reichskanzlers ist eine gleichlautende Erklärung des Reichsmini-
sters
des Auswärtigen vom 11. Februar 1920 gefolgt. Maßgebend ist
allein die Erklärung des Reichskanzlers, denn diese ist in
vorgeschrieben. Daß es zur Zeit der strittigen Vorgänge (April 1919)
einen Reichskanzler nicht gab, kann von keinem Belang sein: ein
Zeitpunkt oder eine Frist für die Abgabe der Reichskanzlererklä-
rung
ist gesetzlich nicht bestimmt. Der am 27. Okotober 1919 ver-
fassungsmäßig
wieder bestehende Reichskanzler hatte das Recht und
die Pflicht, sich in Ausführung des geltenden über das
Verhalten der im April 1919 befaßten und handelnden Beamten zu
erklären. Die Zuständigkeit dazu ist ihm, - wie auch sonst sein
Geschäftsbereich von dem des Reichskanzlers nach der ehemaligen
Reichsverfassung verschieden sein mag - eben durch
gegeben: übrigens hat der Reichskanzler nach gerade die Richtlinien der Politik zu be-
stimmen
-


Die Revision meint, § habe nur ein solches Verhalten
der Beamten des auswärtigen Dienstes im Auge, welches sich inner-
halb
des ihnen zugewiesenen Ressorts halte, - hier aber sei vom aus-
wärtigen
Amt über sein Ressort eigenmächtig und willkürlich ohne
Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister und ohne Einholung
eines Beschlusses des Reichskabinetts übergegriffen in ein nur
dem Reichswirtschaftsminister und seinem Kommissar unterstehendes
Geschäftsgebiet, - es set darum durchaus unzulässig, daß der Reichs-
kanzler
bezw. der Außenminister sich derart schützend vor seine
Beamten stelle. Dieser Einwand wird erledigt schon durch den der rich-
terlichen
Nachprüfung entzogenen
Inhalt der Reichskanzlererklärung
selbst. Diese stellt fest, daß die betreffenden Beamten innerhalb
ihres Dienstbereichs handelten, also nicht in ein ihnen fremdes Res-
sort
übergriffen und daß sie richtig d.h. in der den politischen
Rücksichten entsprechenden Weise handelten; und durch diese Er-
klärung
stellt sich der Reichskanzler nicht schützend vor die
betreffenden Beamten, sondern er verneint damit nur die Haftbar-
keit
des Reiches: gegen die betreffenden Beamten selbst Ersatz-
klage
zu erheben ist dem Kläger unbenommen, falls er vermeinen
zu können glaubt, daß eine ihr gegenüber obliegende Amtspflicht
schuldhaft verletzt sei. Übrigens liegt - auch abgesehen von der
Erklärung des Reichskanzlers - offen, daß in betreff der Ausfuhr
von Deutschen für die Russische Sowjet - Regierung bestimmten
Waren im April 1919 das Reichswirtschaftsministerium und das Aus-
wärtige
Amt je selbständig zu befinden und zu handeln hatten, und
beide Stellen hielten die Ausfuhr an die Sowjet - Regierung, - der
doch in Wirklichkeit der Kläger die Waren zuführen und liefern
wollte, - für nicht angänglich: dem Kläger war die Ausfuhrbewil-
ligung
vom Kommissar des Reichswirtschaftsministers nur erteilt
für Rußland und für einen noch anzugebenden Käufer und gerade
nicht für die Russische Sowjet - Regierung.


Nach dem Ausgeführten ist der erste Klagegrund hinfällig. Auch
der zweite versagt.


Die Ausfuhrbewilligung des Reichskommissars gab dem Kläger kein
wohlerworbenes Recht. Die ihm so freigegebene Ausfuhrbefugnis
war kein Privatrecht im Sinne des BGB., - war überhaupt kein Pri-
vatrecht
und noch nicht einmal eine vollständige endgültige Be-
fugnis
, insofern die Ausfuhr weiter noch der Prüfung und Entscheidung des
Auswärtigen Amts unterlag. Die Ausfuhrbewilligung war nur die
öffentlich - rechtliche Erklärung der einen der beiden zuständi-
gen
Stellen, daß sie ihrerseits keine Einwendung mache und die
Ausfuhr freigebe.


Aus der in Theorie und Praxis verworrenen und zweifelvollen
Lehre über die Entschädigungspflicht bei hoheitsrechtlichen Ein-
griffen
in wohlerworbene Rechte könnte als gemeinrechtlicher oder
als allgemein gültiger Satz höchstensfalls der entnommen werden,
daß Entschädigung einzutreten hat, wenn Eigentum oder dem ähnliche
dingliche Rechte ohne die Möglichkeit einer Abwehrklage genommen
oder geschädigt werden, und wenn der hoheitsrechtliche Akt sich
gerade gegen einzelne individuelle Rechte dieser Art im Interesse
der Allgemeinheit richtete. Ob ein solcher Satz anzuerkennen und
auf hoheitsrechtliche, insbesondere politische Akte auch des Reichs
anwendbar ist, bedarf keiner Entscheidung: denn ein eigentum-
ähnliches
Recht des Klägers steht hier keinesfalls in Frage, und
die Nichtzulassung und Verhinderung der Ausfuhr aller für die
Russische Sowjet - Regierung bestimmten Waren war eine Maßnahme,
die sich nicht besonders gegen den Kläger, sondern gegen alle Ver-
käufer
und Exporteure richtete.


Die Revision ist hiernach als unbegründet zurückzuweisen.


gez. . . . .
. . .


Wert des Streitgegenstandes in
der Revisionsinstanz: 74 000 - 76 000 .