Digitales Reichsgericht


III 28/1921

Aktenzeichen III 28/1921
ID / URL https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/direktlink/b7ae0ceb-e0d8-4308-a25c-3ad08adfc99e/
Beklagte, Revisionsklägerin Fa. Theodor Bergmann
Kläger, Revisionsbeklagte [mehrere Kläger]
Senat III. Zivilsenat
Vorinstanz 1. Zivilsenat, OLG Karlsruhe
Rechtsgebiet Geltung eines Tarifvertrags
Rechtsgebiet Kollektives Arbeitsrecht, Tarifvertragsrecht


Abschrift.
III 28/21.


wird abgedruckt!


Im Namen des Reichs.


Verkündet
am 30. September 1921.
gez. ,
Gerichtsschreiber.


In Sachen der Firma ,
Inhaber in Gaggenau,
Beklagte, Revisionsklägerin,

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Justizrat
in Leipzig,


wider


  • 1. den Former Leo Wenzel in Ottenau,

  • 2. den Former Otto Krieg in Ottenau,

  • 3. den Former Hermann Trehan in Michelbach,

  • 4. den Former Richard Herm in Michelbach,

  • 5. den Former Josef Seitz in Michelbach,

  • 6. den Former Peter Stöhr in Scheuern,

  • 7. den Former Peter Becker in Gaggenau,

  • 8. den Former Karl Scherer in Gernsbach,

  • 9. den Kernmacher Karl Krell in Gernsbach,

  • 10. den Maurer Heinrich Rehm in Gernsbach,

  • 11. den Maurer Josef Dinger in Lauf,

  • 12. den Maurer Karl Baßler in Lauf,

  • 13. den Maurer Emil Gerber in Lauf,

  • 14. den Maurer Josef Burst in Lauf,

  • 15. den Maurer Ignaz Klumpp in Lauf,

  • 16. den Maurer Heinrich Bender in Staufenberg,

  • 17. den Maurer Johann Bender in Staufenberg,

  • 18. den Maurer Ferdinand Karcher in Hörden,

  • 19. den Maurer Josef Ritter in Bietigheim,

  • 20. den Maurer Johann Huck in Kuppenheim,

  • 21. den Maurer Emil Simon in Scheuern,

  • 22. den Maurer Friedrich Braun in Loffenau,

  • 23. den. Maurer Josef Kraft in Michelbach,

  • 24. den Schlosser Josef Frey in Gaggenau,

  • 25. den Schlosser Adolf Fütterer in Gaggenau,

  • 26. den Schlosser Heinrich Boll in Gaggenau,

  • 27. den Schlosser Wendelin Stößer in Gaggenau,

  • 28. den Schlosser Johann Böhle in Gaggenau,

  • 29. den Schlosser Ernst Götzmann in Gaggenau,

  • 30. den Schlosser Emil Maier in Oberndorf,

  • 31. den Schlosser Jakob Baas in Saalbach,

  • 32. den Schlosser Thomas Schnaible in Ottenau,

  • 33. den Schlosser Augustin Hornung in Ottenau,

  • 34. den Schlosser Ernst Schuhmacher in Ottenau,

  • 35. den Schlosser Wendelin Wunsch in Sulzbach,

  • 36. den Blechner Ferdinand Schottmüller in Rotenfels,

  • 37. den Blechner Franz Schnepf in Ottenau,

  • 38. den Blechner Stefan Maier in Ottenau,

  • 39. den Blechner Adolf Stösser in Gaggenau,

  • 40. den Blechner Johann Merz in Sulzbach,

  • 41. den Maler Tobias Krieg in Ottenau,

  • 42. den Maler Franz Heitz in Ottenau,

  • 43. den Maler Karl Benkler in Ottenau,

  • 44. den Maler Ernst Stösser in Ottenau,

  • 45. den Maler Rudolf Steimer in Ottenau,

  • 46. den Maler Josef Schnepf in Ottenau,

  • 47. den Maler Thomas Steimer in Ottenau,

  • 48. den Maler Eduard Winkler in Gaggenau,

  • 49. den Maler Simon Bastian in Gaggenau,

  • 50. den Maler Josef Bauer in Hörden,

  • 51. den Former Heinrich Brecht in Oberndorf,

  • 52. den Former Johann Wunsch in Ottenau,

  • 53. den Brenner Johannes Rieger in Michelbach,

  • 54. den Brenner Franz Herm in Sulzbach,

  • 55. den Brenner Johannes Sänger in Hörden,

  • 56. den Tagelöhner Johann Roß in Ottenau,

  • 57. den Elektromonteur Karl Bruder in Gaggenau,

  • 58. den Dreher Josef Fettig in Gaggenau,

  • 59. den Dreher Karl Mach in Rotenfels,

  • 60. den Lackierer Th. Ornikowsky in Rotenfels,

  • 61. den Schreiner Emil Bracht in Gaggenau,

  • 62. den Schleifer Gregor Schöchinger in Ottenau,

  • 63. den Aufträger August Kraft in Ottenau,

  • 64. den Aufträger Albert Kugel in Ottenau,

  • 65. den Aufträger Daniel Heck in Ottenau,

  • 66. den Aufträger Franz Heck in Ottenau,

  • 67. den Schmied Anton Matzeth in Hörden,

  • 68. den Zimmermann Arnold Alberth in Lauf,

  • 69. den Aufträger Lorenz Schindler in Gaggenau,

  • 70. den Schlosser Julius July in Gaggenau,

  • 71. den Schlosser Raimund Hirth in Michelbach,

  • 72. den Maschinenarbeiter Hermann Körner in Gaggenau,

  • 73. den Maschinenformer Fritz Becker in Gaggenau,

  • 74. den Maschinenarbeiter Franz Hirth in Michelbach,

  • 75. den Maschinenformer Karl Doll in Gaggenau,

  • 76. den Maschinenarbeiter Emil Schott in Rotenfels,

  • 77. den Maschinenarbeiter Peter Müller in Staufenberg,

  • 78. den Maschinenarbeiter Albert Bender in Staufenberg,

  • 79. den Maschinenarbeiter Emil Graf in Staufenberg,

  • 80. den Maschinenarbeiter Wilhelm Weber in Michelbach,

  • 81. den Maschinenarbeiter Martin Herm in Michelbach,

  • 82. den Maschinenarbeiter Josef Hirth in Michelbach,

  • 83. den Maschinenarbeiter Karl Merkel in Ottenau,

  • 84. den Maschinenarbeiter Max Schnaible in Ottenau,

  • 85. den Maschinenarbeiter Matthias Weber in Selbach,

  • 86. den Maschinenarbeiter Josef Schmidt in Ottenau,

  • 87. den Maschinenarbeiter Albert Bender in Staufenberg,

  • 88. den Lackierer Thimotheus Maier in Ottenau,

  • 89. den Lackierer Ludwig Bastian in Michelbach,

  • 90. den Lackierer Dominik Rost in Fischweier,

  • 91. den Kernmacher Karl Maier in Ottenau,

  • 92. den Kernmacher Karl Weiersmüller in Michelbach,

  • 93. den Kernmacher Josef Hirth in Michelbach,

  • 94. den Schlosser Lukas Bauer in Hörden,

  • 95. den Schlosser Emil Ball in Gaggenau,

  • 96. den Schlosser Josef Ripsinger in Gaggenau,

  • 97. den Schlosser Adam Künzel in Gaggenau,

  • 98. den Schlosser Wilhelm Lang in Hörden,

  • 99. den Schleifer Wilhelm Schechinger in Ottenau,

  • 100. den Schleifer Wendelin Maier in Ottenau,

  • 101. den Schleifer Georg Kraft in Ottenau,

  • 102. den Schleifer Paul Huber in Gaggenau,

  • 103. den Schleifer Ferdinand Mack in Michelbach,

  • 104. den Maschinenformer Josef Knam in Malsch,

  • 105. den Maschinenformer Johann Tail in Malsch,

  • 106. den Maschinenformer Wilhelm Wunsch in Selbach,

  • 107. den Maschinenformer Ferdinand Berger in Staufenberg,

  • 108. den Maschinenformer Karl Klumpp in Rotenfels,

  • 109. den Hilfsarbeiter Otto Stemmle in Ebersteinburg,

  • 110. den Hilfsarbeiter Josef Stöhrer in Durmersheim,

  • 111. den Hilfsarbeiter August Krumm in Lauf,

  • 112. den Hilfsarbeiter Michael Weber in Sulzbach,

  • 113. den Hilfsarbeiter Ernst Ball in Gaggenau,

  • 114. den Hilfsarbeiter Leo Zimmerer in Sinzheim,

  • 115. den Hilfsbrenner Wendelin Traub in Michelbach,

  • 116. den Hilfsbrenner Johannes Weber in Sulzbach,

  • 117. den Dreher Wendelin Hirth in Michelbach,

  • 118. den Dreher Josef Karcher in Ottenau,

  • 119. den Elektromonteur Hermann Max in Rastatt,

  • 120. den Elektromonteur Karl Schutterle in Rastatt,

  • 121. den Blechspanner Emil Lesser in Gaggenau,

  • 122. den Maler Moritz Salzmann in Ottenau,

  • 123. den Schlosser Johann Karcher in Hörden,

  • 124. den Beizer Wilhelm Härtle in Kuppenheim,

  • 125. den Heizer Josef Herm in Michelbach,

  • 126. den Packer Otto Niebisch in Gaggenau,

  • 127. den Schlosser Josef Brückel in Gaggenau,

  • 128. den Schlosser Karl Simon in Ottenau,

  • 129. den Maschinenarbeiter August Adel in Gaggenau,

  • 130. den Maschinenarbeiter Karl Huch in Gaggenau,

  • 131. den Maschinenarbeiter Georg Haitz in Ettlingenweier,

  • 132. den Maschinenarbeiter Karl Hohlfelder in Michelbach,

  • 133. den Maschinenarbeiter Gregor Maier in Ottenau,

  • 134. den Maschinenarbeiter Stefan Rieger in Michelbach,

  • 135. den Maschinenarbeiter Anton Decker in Lauf,

  • 136. den Elektromonteur Arnold Wirth in Ottenau,

  • 137. den Maschinenformer Karl Latein in Michelbach,

  • 138. den Maschinenformer Karl Dürrschnabel in Bietig-
    heim
    ,

  • 139. den Maschinenformer Josef Siegwart in Gaggenau,

  • 140. den Hilfsbrenner Emil Herm in Sulzbach,

  • 141. den Tagelöhner Josef Seiler in Lauf,

  • 142. den Tagelöhner Ludwig Klumpp in Kuppenheim,

  • 143. den Tagelöhner Johann Bender in Staufenberg,

  • 144. den Schlosser Johann Weber in Selbach,

  • 145. den Dreher Anton Tschan in Michelbach,

  • 146. den Tagelöhner Wilhelm Eisele in Michelbach,

  • 147. den Arbeiter Friedrich Bischoff in Scheuern,

  • 148. den Arbeiter Valentin Graft in Ottenau,

  • 149. den Maschinenformer Otto Dürrschnabel in Bie-
    tigheim
    ,

  • 150. den Tagelöhner Karl Ade in Gaggenau,

  • 151. die Beizerin Pauline Kast in Ottenau,

  • 152. die Malerin Sofie Krieg in Ottenau,

  • 153. die Malerin Theresia Tschechinger in Ottenau,

  • 154. die Arbeiterin Sofie Hornecker in Gernsbach,

  • 155. die Arbeiterin Ottilie Matzeth in Hörden,

  • 156. die Beizerin Regina Brückel in Ottenau,

  • 157. die Beizerin Brigitte Schmitt in Ottenau,

  • 158. die Hilfsarbeiterin Walpurga Huck in Michelbach,

  • 159. den Lehrling Adolf Dröscher in Gaggenau,

  • 160. den Lehrling Fritz Setzer in Gaggenau,

  • 161. den Lehrling Otto Frey in Gaggenau,

  • 162. den Lehrling Alfred Götzmann in Gaggenau,

  • 163. den Lehrling Albert Ball in Gaggenau,

  • 164. den Lehrling Franz Grötz in Gaggenau,

  • 165. den Lehrling Fritz Greul in Gaggenau,

  • 166. den Lehrling August Keuplin in Gaggenau,

  • 167. den Lehrling Hermann Kapold in Gaggenau,

  • 168. den Lehrling Damian Seiberling in Gaggenau,

  • 169. den Lehrling Heinrich Karcher in Gaggenau,

  • 170. den Lehrling Emil Inner in Gaggenau,

  • 171. den Lehrling Albert Weber in Gaggenau,

  • 172. den Lehrling Johann Hartmann in Gaggenau,

  • 173. den Lehrling Hermann Weber in Gaggenau,

  • 174. den Lehrling Josef Marzet in Gaggenau,

  • 175. den Lehrling Johann Zahner Gaggenau,

  • 176. den Lehrling Augustin Hartmannn in Gaggenau,

  • 177. den Lehrling Wilhelm Wolk in Gaggenau,

  • 178. den Lehrling Kornel Merker Gaggenau,

  • 179. den Lehrling Franz Haitz in Gaggenau,

  • 180. den Lehrling Adolf Frank in Gaggenau,

  • 181. den Lehrling August Hoffmann in Gaggenau,

  • 182. den Lehrling Hermann Zahner in Gaggenau,

  • 183. den Lehrling Emil Simon in Gaggenau,

  • 184. den Lehrling Franz Stöhr in Gaggenau,

  • 185. den Lehrling Anton Kratzmann in Gaggenau,

  • 186. den Säger Ludwig Brückel in Ottenau,


Kläger, Revisionsbeklagte,

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt in Leipzig,


hat das Reichsgericht, III. Zivilsenat,


auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 1921
unter Mitwirkung:


  • des Präsidenten

  • und der Reichsgerichtsräte , , Dr.,
    , Dr. , Dr.


für Recht erkannt:


Die Revisionen gegen die Urteile des vom 24. November 1920 werden
zurückgewiesen.


Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsinstanz wird
dem Endurteile vorbehalten.


Von Rechts wegen.


Tatbestand.


Der Verband der Metallindustriellen Mittelbadens schloß am 1.
Juni 1919 mit dem
einen Tarifvertrag, der vom am 29. November
1919 mit Wirkung vom 1. August 1919 für den Bezirk der Handelskammer
für die Kreise Karlsruhe und Baden für allgemein verbindlich er-
klärt
wurde. Diese Erklärung wurde in das Tarifregister eingetragen
und in Nr. 279 des Reichsanzeigers vom 5. Dezember 1919 veröffent-
licht
. Die Beklagte war an jenem Vertrage nicht beteiligt, schloß
vielmehr selbst am 2. Juni 1919 einen Tarifvertrag mit dem einen Tarifvertrag,
auf Grund dessen sie dann ihre Arbeiter entlohnte. Die Kläger, Ar-
beiter
der Beklagten, verlangten mit der Klage Nachzahlung der ihnen
nach dem für allgemein verbindlich erklärten Vertrage vom 1. Juni
1919 gegenüber den Sätzen des Vertrages vom 2. Juni 1919 zustehenden
Mehrbeträge an Lohn für die Zeit vom 1. August 1919 an. Die Beklagte
erklärte diese Ansprüche für unbegründet, machte aber in erster
Linie die prozeßhindernden Einreden der Unzuständigkeit des Gerichts,
der Unzulässigkeit des Rechtsweges und der Vereinbarung schiedsrich-
terlicher
Entscheidung geltend, wobei sie die Einlassung zur Haupt-
sache
verweigerte. Die erste Instanz verwarf diese Einreden durch
Zwischenurteil und erklärte im Endurteil die erhobenen Ansprüche
für die Zeit vom 5. Dezember 1919 an für berechtigt, im übrigen für
unberechtigt. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten
gegen das Zwischenurteil zurück und erklärte in der Sache selbst auf
die Berufung der Kläger unter Zurückweisung der Anschlußberufung der
Beklagten die Ansprüche der Kläger, die sich nach dem Tatbestand des
Berufungsurteils jetzt nur noch auf die Zeit vom 1. August bis zum
19. Dezember 1919 einschließlich erstrecken, dem Grunde nach für berech-
tigt
. Die Beklagte hat gegen die beiden hierüber erlassenen Urteile
des Berufungsgerichts Revision eingelegt und beantragt, sie aufzuhe-
ben
und nach ihrem Antrage in der Berufungsinstanz zu erkennen. Die
Kläger beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.


Entscheidungsgründe.


Zur Begründung ihrer prozeßhindernden Einreden beruft sich die
Beklagte auf § 21 des Tarifvertrages vom 1. Juni 1919, worin für
Streitigkeiten aus der Durchführung dieses Abkommens zunächst eine
Verhandlung zwischen der Betriebsleitung und dem Arbeiterausschuß,
dann eine Heranziehung der beiderseitigen Organisationsleitungen und
schließlich eine Entscheidung des Schlichtungsausschusses vorgese-
hen
ist. Die Folgerungen, die die Beklagte daraus zieht, sind aber
unbegründet. Die Verordnung über Tarifverträge usw. vom 23. Dezember
1918 versteht unter Tarifvertrag einen Vertrag, der die Bedingungen
für den Abschluß von Arbeitsvertragen regelt (). Wird ein sol-
cher
Vertrag für allgemein verbindlich erklärt (), so bekommt er
Geltung für die nicht am Vertrage beteiligten Personen nur, soweit
er Tarifvertrag ist d.h. arbeitsvertragliche Bestimmungen enthält.
Danach ist schon zweifelhaft, ob die allgemeine Verbindlichkeit auch
auf Bestimmungen sich erstreckt, die sich nur mit der Austragung von
Streitigkeiten befassen. In jedem Falle aber kann ihre Anwendung auf
Streitigkeiten aus den einzelnen Arbeitsverträgen nur dann in Frage
kommen, wenn sie sich auf solche Streitigkeiten überhaupt beziehen.
Dies verneint aber das Berufungsgericht in einwandfreier Auslegung des
§ 21 des Tarifvertrages für den vorliegenden Fall. Die Revision
wendet sich nicht gegen die Auslegung des Berufungsgerichts, sucht
aber der daraus sich ergebenden Folge dadurch zu entgehen, daß sie
ausführt, es handle sich um einen Streit, der über die Bedeutung von
Einzelstreitigkeiten hinausgehe, wenn sämtliche Arbeitnehmer eines
Betriebes gegen den Arbeitgeber Klage erheben, um auf diese Weise
entscheiden zu lassen, welcher Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis
gelte. Allein abgesehen davon, daß es an der Feststellung fehlt, daß
die Kläger die Gesamtarbeiterschaft der Beklagten bilden, würde selbst
die Tatsache, daß es sich um sämtliche Arbeiter der Beklagten han-
delt
, in Verbindung mit dem Umstande, daß die Begründung der An-
sprüche
im wesentlichen die gleiche und von allgemeiner Bedeutung
ist, doch nichts daran ändern, daß ihren Gegenstand nur die aus den
einzelnen Arbeitsverträgen abgeleiteten einzelnen Lohnforderungen
bilden. Würden die Ansprüche gleichzeitig oder nacheinander in ge-
trennten
Rechtsstreiten verfolgt, so könnte dies nicht zweifelhaft
sein. Ihre Verbindung in einer Klage kann aber ihre rechtliche Be-
deutung
nicht ändern und folgeweise auch eine andere prozeßrechtliche
Behandlung nicht rechtfertigen. Eine Gesamtstreitigkeit, die sich
zur Entscheidung durch den Schlichtungsausschuß eignen würde, liegt
nicht vor. Die Kläger brauchten also nicht vor Erhebung der Klage
den Weg des § 21 a.O. einzuschlagen und die Revision der Beklagten zu
diesem Punkte erweist sich als unbegründet, ohne daß es noch der
Erörterung bedürfte, ob, selbst vom Standpunkte der Beklagten aus, von
einer der von ihr erhobenen prozeßhindernden Einreden überhaupt die
Rede sein könnte.


Unbegründet ist auch die Revision, die sich gegen das in der
Sache entscheidende Urteil des Berufungsgerichts richtet. Mit Unrecht
bezweifelt zunächst die Beklagte, daß der für allgemein verbindlich
erklärte Tarifvertrag vom 1. Juni 1919, dem für die Streitsteile zu-
nächst
maßgebend gewesenen Vertrag vom 2. Juni 1919 vorgehe. Die
Bedeutung der Verbindlichkeitserklärung besteht gerade darin, daß der
für allgemein verbindlich erklärte Vertrag alle Arbeitsverträge er-
faßt
, die nach der Art der Arbeit unter ihn fallen, und daß er in
diesem Umfange allen anderen Tarifverträgen, die sich auf das glei-
che
Gebiet beziehen, vorgeht, soweit letztere nicht etwa den Arbeit-
nehmern
günstigere Bedingungen enthalten (vergl. § 1 V.O.) Nur
wenn mehrere für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge neben-
einander
in Frage kommen, können im einzelnen Falle Zweifel darüber ent-
stehen
, welcher von ihnen maßgebend ist (§ 2 Abs. 2 VO. ). Um eine
Beseitigung des Vertrages vom 2. Juni 1919 durch Verfügung des Reichs-
arbeitsministers
handelt es sich dabei nicht. Der Vertrag konnte, soweit
er günstigere Bedingungen für die Arbeitnehmer enthielt, auch ferner
unbedenklich angewendet werden. Daß er im Übrigen dem Vertrage vom 1.
Juni 1919 weichen muß, ist die gesetzliche Folge der Verbindlichkeits-
erklärung
des letzteren. Mit Unrecht bestreitet aber die Beklagte
auch die Wirksamkeit der Bestimmung, daß die allgemeine Verbindlichkeit
des Tarifvertrages vom 1. Juni 1919 mit dem 1. August 1919 beginnen
solle. Die Entscheidung des Ministers erfolgte am 29. November 1919,
ihre Eintragung in das Tarifregister am gleichen Tage, die Bekanntma-
chung
im Reichsanzeiger am 5. Dezember 1919. Die Frage, ob als Zeit-
punkt
des Beginnes der allgemeinen Verbindlichkeit ein der Verbind-
lichkeitserklärung
vorausgehender Zeitpunkt bestimmt werden kann, ist
bestritten.


Vergl. einerseits bejahend: Kaskel Das neue Arbeitsrecht 1920
S. 24. Anm. 2; Giesberts-Sitzler VO. über Tarifverträge usw. 5. Aufl.
§ 4 Anm. 4 S. 25; Baum Arbeitsrecht des neuen Deutschland Anm. 6 zu
§ 4 der VO. über Tarifverträge usw.; Goldschmidt in. Gew. und Kfm.
Gericht 25. Jahrg. S. 230; Grote Jur. Woch. 1921 S. 331; Gew.G.
Altona in Gew. u. Kfm. Gericht 25. Jahrg. S. 181, auch Günther
Arbeiterschutz und Arbeitsrecht 1920 zu § 4 der VO. über Tarif-
verträge
usw. Anm. 5 S. 216; andererseits verneinend Gew.Ger.
Hamburg in Gew.u. Kfm. Gericht 25. Jahrg. S. 179; Järisch Jur.
Woch. 1920 S. 892; Hueck in Gew. und Kfm. Gericht 25. Jahrgang
S. 209 (213, 214).


Das Berufungsgericht vermeidet eine allgemeine Entscheidung
der Frage, indem es jeweils die Interessenlage der Beteiligten maßge-
bend
sein lassen will, und demgemäß im vorliegenden Falle, da es sich
um einen nach der schon im Juli 1919 erfolgten Veröffentlichung des
Antrages auf Verbindlichkeitserklärung liegenden Zeitpunkt handelt,
die Bestimmung des 1. August 1919 als Zeitpunkt der allgemeinen Ver-
bindlichkeit
für wirksam erklärt, während es sich für andere Fälle
die Entscheidung vorbehalten will. Dieser Standpunkt kann nicht
gebilligt werden. Die Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen
ist ausschließlich Sache des Ministers, wenn er nach pflichtmäßigem
Ermessen sich darüber schlüssig macht, welchen Zeitpunkt er für den
Beginn der allgemeinen Verbindlichkeit eines Tarifvertrages bestimmen
will. Das Gericht hat nicht nachzuprüfen, ob er von seinem Ermessen
den richtigen Gebrauch gemacht hat. Gegenstand der richterlichen
Prüfung kann vielmehr nur sein, ob die Bestimmung eines der Ent-
scheidung
des Ministers vorausgehenden Zeitpunktes überhaupt zulässig
ist. Die Verordnung über Tarifverträge gibt darüber keine Auskunft.
Insbesondere läßt sich, wie auch das Berufungsgericht annimmt, aus
dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 3, wonach zu bestimmen ist, mit wel-
chem
Zeitpunkt die allgemeine Verbindlichkeit des Tarifvertrages be-
ginnt
, etwas Sicheres nicht entnehmen. Es muß daher auf die rechtli-
che
Bedeutung der Erklärung der allgemeinen Verbindlichkeit zurück-
gegangen
werden. Nach § 2 der Verordnung bewirkt diese Erklärung,
daß der für allgemein verbindlich erklärte Tarifvertrag für Ar-
beitsverträge
, die nach der Art der Arbeit unter ihn fallen, auch
dann im Sinne des § 1 verbindlich ist, wenn Arbeitgeber oder Arbeit-
nehmer
, oder beide an dem Tarifvertrage nicht beteiligt sind. Solche
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, werden dadurch nicht Vertragsteile des
Tarifvertrages, und die Wirksamkeit seiner Bestimmungen für Außenste-
hende
tritt nicht kraft des Vertrages, sondern kraft einer Rechtsnorm
ein, die in der Verordnung begründet ist, aber um wirksam zu werden,
noch der Erklärung des Ministers bedarf. Die Verordnung hätte selbst
bestimmen können, welcher Zeitpunkt jeweils den Beginn der allgemei-
nen
Wirksamkeit bedeuten solle. Sie hätte auch bestimmen können, daß
ein früherer Zeitpunkt als der der Entscheidung des Ministers maßge-
bend
sein solle oder könne. Daraus, daß die Verordnung eine Bestim-
mung
dieser Art nicht getroffen, vielmehr die Bestimmung allgemein
und ohne jede Einschränkung einer Behörde überlassen hat, muß
im Zweifel gefolgert werden, daß die Behörde an der Bestim-
mung
eines früheren Zeitpunktes in keiner Weise gehindert sein soll-
te
. Danach muß die Bestimmung eines solchen früheren Zeitpunktes
ganz allgemein für zulässig erachtet werden. Eine natürliche zeit-
liche
Begrenzung solcher Bestimmung ergibt sich freilich insofern, als
ein früherer Zeitpunkt nicht wirksam bestimmt werden kann, als der-
jenige
, in dem der Tarifvertrag abgeschlossen worden ist. Das hat aber
mit dem Wesen der nach § 4 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung zu treffenden
Bestimmung nichts zu tun, beruht vielmehr auf dem aus der Verordnung
sich ergebenden Grundsatze, daß der Minister nicht von sich aus Ta-
rifbestimmungen
treffen, und daß er auch die bestehenden Tarifver-
träge
nicht ändern, sondern nur so, wie sie bestehen, und folglich
auch nur von der Zeit an, zu der sie entstanden sind, für allgemein
verbindlich erklären kann. In dieser natürlichen Begrenzung kann man
die Möglichkeit der Bestimmung eines der Entscheidung des Ministers
vorausgehenden Zeitpunktes für den Beginn der allgemeinen Verbind-
lichkeit
auch nicht als sachliches Unrecht gegenüber den Arbeitgebern
betrachten. Tarifverträge pflegen alsbald nach ihrem Abschlusse
auch in denjenigen Interessentenkreisen bekannt zu werden, die nicht
unmittelbar am Abschlusse beteiligt waren. Die nicht unmittelbar
beteiligten Arbeitgeber müssen daher von Anfang an, nicht nur von
der Veröffentlichung des Antrages auf die Erklärung zu allgemei-
ner
Verbindlichkeit an, mit einer solchen Erklärung rechnen und kön-
nen
, namentlich in der heutigen Zeit, in der Verbindlichkeitserklä-
rungen
zahlreich stattfinden, eine solche Möglichkeit auch bei der
Berechnung ihrer Preise berücksichtigen. Danach ist die Entschei-
dung
des Berufungsgerichts, wenn auch nicht aus den gleichen Gründen,
zutreffend, die Revision der Beklagten unbegründet.


gez. . . . .
. . .


Wert des Streitgegenstandes
in der Revisionsinstanz: 26000 28000 .