Abschrift.
III. 207/1920.
Wird abgedruckt!
Im Namen des Reichs.
Verkündet am
4. Januar 1921.
gez. ,
Gerichtsschreiber.
In Sachen der Firma
Akt. Ges. in Frankfurt a.M., vertreten durch ihren Vorstand,
Beklagte, Revisionsklägerin,
Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Justizrat
in Leipzig,
wider
die Firma Gesellschaft mit beschränkter
Haftung in Berlin, vertreten durch ihren Geschäftsführer,
Klägerin, Revisionsbeklagte,
Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Justizrat Dr. in
Leipzig,
hat das Reichsgericht, III. Zivilsenat,
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Januar 1921
unter Mitwirkung:
-
des Präsidenten Dr. -
und der Reichsgerichtsräte , Dr., , ,
Dr. , Dr.
für Recht erkannt:
Das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in
Frankfurt a./M. vom 26. März 1920 wird aufgehoben
und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Kammer
für Handelssachen des Landgerichts in Frankfurt a./M. vom
11. Dezember 1919 zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungs- und der Revisionsinstanz
wer-
den der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen.
Tatbestand.
Die Klägerin, die für den Betrieb ihres Tanzhauses Sekt von der
Beklagten bezog und Aktien der beklagten Gesellschaft in Höhe von
15 000 ℳ besaß, ersuchte im Sommer 1915, nachdem die Aktien
dividen-
denlos geblieben waren, die Beklagte um deren Zurücknahme. Die
Be-
klagte schlug zwar diese Bitte ab, erklärte sich jedoch bereit, der
Klägerin als Ausgleich für die Dividendenlosigkeit ihrer Aktien 750 ℳ
zu gewähren, wenn die Klägerin ihrerseits sich verpflichte, ihr 1000
Flaschen Sekt zu 3 ℳ 20 ₰ - dem damaligen Preise - abzunehmen. Auf
Grund dieser Verhandlungen übersandte die Klägerin am 24. Juni 1915
folgende von ihrem Vertreter unterschriebene Urkunde:
„ Unterzeichnete bestellen hiermit 1000 Flaschen Feist Sekt
feld-
grau .. à 3,20 .Die Bestellung soll jedoch erst an dem Tage in Kraft
treten, wo in unserem Alten Ballhause .. nach dem Kriege die
täg-
liche Tanzerlaubnis wieder erteilt wird "
und bat um Bestätigung der Bestellung und um Ausfolge der 750 ℳ. Dies
ist seitens der Beklagten noch im folgenden Monate geschehen. Im Jahr
1917 hat die Beklagte auf eine erneute Bitte der Klägerin die
frag-
lichen, auch weiterhin ohne Dividende gebliebenen Aktien
zurückgenom-
men. Nach Beendigung des Krieges ist der Klägerin die Erlaubnis des
täglichen Tanzbetriebs wieder erteilt worden. Darauf verlangte die
Klägerin von der Beklagten die Lieferung der 1000 Flaschen Sekt zum
bezeichneten Preise. Die Beklagte hat diese verweigert.
Das Landgericht ( Kammer für Handessachen ) hat die Klage
abge-
wiesen, das Berufungsgericht hat ihr entsprochen. Die Revision
be-
zweckt unter Widerspruch der Klägerin die Zurückweisung der
klägeri-
schen Berufung.
Entscheidungsgründe.
1. Daß zwischen den Parteien im Kriegsjahr 1915 ein bindender Kauf
über 1000 Flaschen Sekt zum Preise von 3 ℳ 20 ₰ die Flasche
abgeschlos-
sen wurde, ist vom Berufungsgericht bedenkenfrei angenommen, von der
Revision auch nicht beanstandet worden. Die Klägerin hat der
Beklag-
ten am 24. Juni den Bestellschein übermittelt und die Beklagte hat
am 7. Juli den Auftrag entgegengenommen, worauf nochmals eine
gegen-
seitige Vertragsbestätigung in den Briefen vom 9. und 16. Juli
statt-
fand. Der vertraglichen Bindung der Beklagten steht der Umstand nicht
entgegen, daß der Kauf auf ihren eigenen Wunsch zu ihren Gunsten des-
halb bestätigt wurde, um ihr ein Entgelt für die Gefälligkeit zu
ge-
währen, die sie der Klägerin durch die freiwillige Hingabe der 750 ℳ
zur Ausgleichung der damaligen Dividendenlosigkeit der beklagtischen
Ak-
tien erwiesen hatte. Die Kaufsverhandlungen gaben keinen Anhalt
da-
für, daß die Erfüllung des Kaufs vom Belieben der Beklagten abhängig
sein oder daß die Beklagte zum einseitigen Rücktritt befugt sein
soll-
te. Der Kauf war nur bedingt durch die Wiedererlangung der
klägeri-
schen Tanzerlaubnis und betagt durch die Beendigung des Krieges.
2. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizutreten, daß durch
die brieflichen Verhandlungen im Jahre 1917 das Vertragsverhältnis
weder verändert noch aufgehoben worden ist. Die Beklagte hat zwar am
2. April geschrieben, sie erwarte, daß die Klägerin nach
Wiederer-
öffnung des Tanzlokals ihre Sektmarken „laut Vereinbarung zu den
gül-
tigen Engrospreisen“ bestellen werde. Die klägerische Antwort vom
16. April ging jedoch dahin, daß im früheren Briefwechsel ihre
Ver-
pflichtung zur Abnahme eines bestimmten Quantums festgelegt sei.
3. Berechtigt ist jedoch der weitere Einwand der Beklagten, daß
das nunmehrige Erfüllungsverlangen der Klägerin mit den Grundsätzen
von Treu und Glauben nicht vereinbar sei ( ). Die
Erfül-
lungsweigerung der Beklagten findet zwar - insoweit ist dem
Be-
rufungsgericht beizupflichten - nicht schon darin allein eine Stütze,
daß durch das Kriegsende und durch die Revolution eine gewaltige
Ver-
änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, auch auf dem Gebiete der
Sektfabrikation eingetreten ist, die sich insbesondere in einer sehr
erheblichen Preissteigerung geltend gemacht hat. Eine auf einen
Wa-
renmangel zurückzuführende Unmöglichkeit der Lieferung ist von der
Beklagten selbst nicht behauptet. Der Vertrag ist während ( ! ) des
Kriegs geschlossen worden; die Beklagte hatte also triftige
Veranlas-
sung, rechtzeitig für die Erfüllung ihrer übernommenen
Verpflichtun-
gen Sorge zu tragen und die Möglichkeit geeigneter Fürsorge lag vor,
wie das Berufungsgericht dargelegt hat. Würde es sich also um einen
Unternehmerkauf gewöhnlicher Art handeln, bei dem beide Parteien
le-
diglich ihre eigenen Vorteile verfolgten, so würde auch vom
Stand-
punkt der neuesten reichsgerichtlichen Erkenntnisse ( RG. Ba. 98 S.
18; Bd. 99 S. 115; Jur.Woch. 1920 S. 376, 434 ) der Beklagten ein
Recht zum einseitigen Rücktritt nicht zu gewähren sein.
Allein der vorliegende Fall ist ganz besonders gestaltet. Beim
Vertragsschlusse war es der beiderseitige Parteiwille, daß der Beklag-
ten in Anerkennung des Entgegenkommens, das sie der Klägerin mit der
Entschädigung für die Dividendenlosigkeit der beklagtischen Aktien
ge-
währt hatte, durch den im Kauf festgelegten Unternehmergewinn ein
Vorteil zufallen solle. War diese Vorteilsverschaffung auch nicht
zur Vertragsbedingung erhoben, so bildete sie doch den wesentlichen
Zweck des Vertrags, der nur dieser Absicht der Parteien seine
Ent-
stehung verdankte. Die zum klaren Ausdruck gekommene , beiden Teilen
erkennbare Absicht ging also dahin, daß die Beklagte gewissermaßen
als Gegenleistung für ihr Entgegenkommen einen Vorteil erlangen und
keinen Schaden erleiden solle. In grellem Gegensatz zu diesem
Ver-
tragszwecke und zu diesem erklärten Parteiwillen würde jedoch die
jetzige tatsächliche Erfüllung des Vertrags der Beklagten nicht nur
keinen Gewinn bringen, sondern ihr sehr erheblichen Schaden
verur-
sachen. Bei solcher Sachlage verstößt es gegen die Gebote des
anstän-
digen und lauteren Geschäftsverkehrs und die Grundsätze von Treu
und Glauben, wenn die Klägerin in Kenntnis der Umstände von ihrem
formellen Recht Gebrauch machend die Erfüllung verlangt. Der von
ihr beanspruchte Erfüllungszwang kann daher kein rechtliches Gehör
finden.
Hiernach war, wie geschehen, zu erkennen.
gez. . . . .
. . .
Wert des Streitgegenstandes
in der Revisionsinstanz:
10 200 ℳ.